Mittwoch, 25. September 2024

Riss durch Europa | Rift through Europe

Die Folgen des Hitler-Stalin-Pakts. Perspektiven aus Ostmitteleuropa. Herausgegeben von Anke Hilbrenner, Christoph Meißner und Jörg Morré. Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 296 Seiten, ISBN 978-3-8353-5781-5, € 26,00 (D) / € 26,80 (A)

Verlagsinfo:
Mit dem Hitler-Stalin-Pakt begann vor 85 Jahren der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Erinnerungen an dieses Abkommen trennt bis heute die Erinnerungsgemeinschaften in Ost und West.

Für die Länder Ost- und Mitteleuropas hatte die Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts am 23. August 1939 schwerwiegende Folgen. Eine Woche später überfiel Deutschland Polen und löste den Zweiten Weltkrieg aus. Nur weitere zwei Wochen später begann auch die Sowjetunion mit Angriffen auf die Länder Ost- und Mitteleuropas. Beide Seiten annektierten gewaltsam Territorien und beendeten die Unabhängigkeit ganzer Staaten. Ihre Besatzungspolitik war von massenhafter tödlicher Gewalt geprägt. Mit dem Angriff des Deutschen Reichs auf Sowjetunion am 22. Juni 1941 endete die Übereinkunft der Diktatoren abrupt. Die Folgen des Pakts aber blieben in Ost- und Mitteleuropa durch die erneute sowjetische Okkupation 1944 und den sich anschließenden Kalten Krieg bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991 bestehen. Viele der heutigen europäischen Grenzen gehen auf diesen Pakt zurück. Deshalb leben die Erinnerungen an die Ereignisse von 1939 bis 1941 fort und prägen die Gesellschaft und Politik der Staaten Ost- und Mitteleuropas bis heute. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union 2004 wurden diese Perspektiven zwar zunehmend lauter geäußert, dennoch wollen sie bis heute nicht alle hören. Der Band erscheint zur gleichnamigen Ausstellung, die anlässlich des 85. Jahrestags der Unterzeichnung des Paktes ab dem 23. August 2024 im Museum Berlin-Karlshorst gezeigt wird.

Der Band ist zweisprachig - Deutsch und Englisch.

Sonntag, 8. September 2024

Meelis Friedenthal: Die Bienen

Aus dem Estnischen von Cornelius Hasselblatt. Kommode Verlag, Zürich 2024, 300 Seiten, ISBN 978-3-905574-34-0, 28.00 Euro. 

Verlagsinfo:
Mit einer Reisetasche und einem neugierigen Papagei kommt der junge Student Laurentius Hylas Ende des 17. Jahrhunderts im winterlichen Estland an. Auf der Flucht vor einer düsteren Vergangenheit und dem Verdacht der Ketzerei macht er sich auf den Weg nach Tartu, der „Stadt der Musen“. In diesem wissenschaftlichen und philosophischen Umfeld, das in der Zukunft zum Zeitalter der Aufklärung führen sollte, sucht Laurentius wie besessen nach einem Heilmittel für die Krankheit, die ihn quält und die seine Zeitgenossen Melancholie nennen, eine Depression. Doch je mehr er sich mit Fragen beschäftigt, die er nicht beantworten kann – Woher kommt die Seele? Welche Beziehung besteht zwischen ihr und dem Körper? - desto mehr wird er von der Welt des Aberglaubens und der Heilmittel der Bauern auf dem Land angezogen. Eine Welt, die er schon als Kind kannte, als er an Hexenjagden teilnahm, und die ihn in Träumen und Visionen heimsucht. Und eine Welt, die er fürchtet und die sich mit der Realität zu vermischen beginnt.

Friedenthal taucht tief ins Mittelalter ein, um von der Entstehung eines neuen Zeitalters der Vernunft zu erzählen. Eine Zeit, in der sich die moderne Medizin ihren Weg durch Ängste und den alten Glauben an die Alchemie bahnt. Der dunkle Norden von der strahlenden Antike träumt und von der Harmonie einer Welt, die vielleicht durch eine Sehnsucht nach Licht, Gold und Honig heilen kann.

Donnerstag, 5. September 2024

Denise Snieguolė Wachter: Vilnius

Rezepte, Geschichten und Menschen aus Litauen • Das Kochbuch zur baltischen Küche – eine kulinarische Reise durch Litauens Hauptstadt. AT-Verlag, Aarau und München 2024, 240 Seiten, ISBN: 978-3-03902-237-3, Format: 19 cm x 25 cm, 36,00 Euro.

Verlagsinfo:
Die Vielfalt der litauischen Küche kennenlernen
Vilnius, eine Stadt mit einer jahrhundertealten Geschichte, überzeugt kulinarisch mit ihrer Vielfalt an köstlichen Gerichten. Wir begleiten Denise Snieguole Wachter in die Heimatstadt ihrer Mutter. Dorthin, wo sie einst viele Sommer verbracht hat. Die Erinnerungen daran hat die Autorin in diesem Buch eingefangen. Mit Gerichten und Geschichten über Menschen, die die Küche in Vilnius zu der machen, die sie heute ist. Mit Märkten, die für die Vergangenheit stehen und für die Gegenwart.
In der jungen Gastroszene von Vilnius treffen sich Gastronominnen und Gastronomen, deren Nationalstolz und Streben nach höchster Qualität eins sind, die die Gerichte ihrer Heimat lieben und ihnen trotzdem einen modernen Anstrich geben wollen.
Das Kochbuch bietet typische Gerichte wie das frittierte Knoblauch-Brot »Kepta duona« mit litauischem Aioli oder die pinke Suppe »Saltibarsciai«, aber auch eigene Interpretationen wie Carpaccio von der Forelle oder den Vilnius-Burger. Auch raffinierte Desserts wie die beliebte Napoleontorte kommen nicht zu kurz. Dieses Buch ist eine inspirierende Reise zu den kulinarischen Highlights der Hauptstadt Litauens.

Denise Snieguole Wachter ist die Genuss- und Kulinarik-Expertin des STERN, die schon als Kind lieber Kochbücher als Romane las. Sie ist fasziniert davon, wie man mit Gerichten Geschichten erzählen kann.

Montag, 2. September 2024

Anšlavs Eglītis: Schwäbisches Capriccio

Originaltitel: "Švābu Kapričo" (1951). Aus dem Lettischen von Berthold Forssman. Guggolz-Verlag, Berlin 2024. 314 Seiten, ISBN 987-3-945370-47-6, 25 Euro. 

Verlagsinfo:
Anšlavs Eglītis (1906–1993) nutzte die eigene Lebensgeschichte – seine Flucht 1944 vor der Roten Armee nach Deutschland – als Vorlage für einen bitterkomischen Episodenroman. Der ausgebombte lettische Flüchtling Pēteris Drusts strandet von Berlin aus in dem kleinen Städtchen Pfifferlingen auf der Schwäbischen Alb, einer vermeintlichen Durchgangsstation auf dem Weg in die Schweiz. Der Zweite Weltkrieg wütet noch, doch die Pfifferlinger gehen fernab von den Gefechten an der Front und den Bombardierungen der Metropolen ungerührt ihren Alltagsgeschäften nach. In dieser hinterwäldlerischen Provinz eckt der Rigaer Pēteris Drusts mit seinen großstädtischen Manieren an: Einerseits ist er auf die Güte der einheimischen Bevölkerung angewiesen, etwa für ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen – andererseits sind ihm die Pfifferlinger intellektuell und kulturell meilenweit unterlegen. Doch er darf ihre Bauernschläue nicht unterschätzen.

Die Episoden sind wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Einige berichten von Drusts kuriosen Begegnungen und Verwicklungen mit den alt eingesessenen kauzigen Kleinstädtern, andere erzählen schildbürgerartige Begebenheiten der Stadtgeschichte. Berthold Forssman trifft in seiner scharf ausbalancierten Übersetzung genau die zugespitzte Komik von Anšlavs Eglītis, die aus dem Aufeinandertreffen der existenziellen Lebenssituation eines Geflüchteten mit der Behäbigkeit und Begriffsstutzigkeit der Einheimischen entsteht. Der doppelbödige Humor ist von Schmerz gezeichnet – nur mit befreiendem Gelächter ist die grausame Absurdität des Lebens zu ertragen.