Mittwoch, 15. September 2021

Rasa Aškinyte: Kleines Bernstein

Roman. Aus dem Litauischen von Markus Roduner. Mitteldeutscher Verlag, Halle 2021. 192 Seiten, ISBN 978-3-96311-474-8, 14.00 Euro. 

Verlaginfo:
So war es nicht, aber so hätte es sein können
- Neuentdeckung einer außergewöhnlichen litauischen Autorin
- Historische Fiktion mit philosophischem Geist
- Starke Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft

Späte Römerzeit – 2. Jahrhundert. Auf der Bernsteinstraße, die das Land des Volkes der Ästier an der Ostsee mit Rom verbindet, werden Bernstein, Pelze und Metalle gehandelt. Die siebenteilige Struktur des Romans – sieben Szenen, sieben Unterszenen und sieben Charaktere – balanciert das Historische, Mythische und Alltägliche aus. Die männliche Welt des Handels und der territorialen Konflikte verbindet die litauische Autorin Rasa Aškinytė mit der weiblichen, häuslichen Welt. In der für Aškinytė typischen kompakten, filmischen Prosa verflechtet sie die Schicksale zweier starker Frauen, die um ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen. Selija ist die Frau des Stammesführers der Ästier, die sich ihrer Stellung bewusst ist und sie leidenschaftlich verteidigt. Glesum (lat. für Bernstein) ist eine ehemalige Sklavin aus einer vornehmen Familie, die Gondas, der Stammesführer, von einer Handelsreise auf der Bernsteinstraße mitbrachte. Sie wird seine heimliche Geliebte. Die Spannung zwischen diesen beiden Frauen – der Ehefrau und der Geliebten –, Liebe und Hass, Ehrgeiz, der Wunsch nach Macht und Sicherheit sowie Rituale und Magie treiben die Geschichte voran, die mehr poetische Rekonstruktion als historischer Roman ist. Die Autorin versteht es die Leserschaft in eine ferne, nur wenig zugängliche Vergangenheit zu führen.

Dienstag, 14. September 2021

Antanas Sutkus: children

Text von Wladimir Kaminer, Herausgegeben von Thomas Schirmböck. Verlag Steidl, Göttingen, 1. Auflage 2021. 180 Seiten, 160 Abbildungen, Englisch / Deutsch / Litauisch. Übersetzungen Litauisch: Jolanta Ježauskaite, Lektorat Monte Pakham. ISBN 978-3-95829-709-8, 48.00 Euro. 

Verlagsinfo:
Der litauische Fotograf Antanas Sutkus hat vor allem ein Lieblingsmotiv, dem sich dieses Buch ausführlich widmet: Kinder und ihre Welt. Immer wieder kehrt Sutkus zu ihnen zurück, um die verschiedenen Facetten kindlicher Lebenswelten zu zeigen und wie diese die Welt der Erwachsenen beeinflussen. »Für mich als Fotograf ist die Kindheit die wichtigste Bühne«, hat Sutkus einmal gesagt, »Kinder leben in einer anderen Welt. Manchmal ist es mir gelungen, diese Welt zu zeigen: nicht die reale Welt, die wir gewohnt sind, sondern ihre Welt. Kinder leben nicht auf der Erde, sondern auf einem anderen Planeten.«

Auf Augenhöhe, respektvoll und doch präzise zeigt Sutkus die Kinder dieser Welt: gemeinsam mit ihren Eltern und Verwandten, mit Freundinnen und Freunden oder beim Spielen oder Lernen in der Schule. Er fängt die schönen Seiten wie auch die Entbehrungen des Kindseins ein, die Schwierigkeiten des Heranwachsens, Einsamkeit und Zusammenhalt, sowie jene unvermeidbaren Krisen der Kindheit, die ein Erwachsenenleben vielleicht für immer prägen. Für Sutkus leben Kinder nicht in einem Paradies, sondern in einem anderen Universum – einer Lebensphase, die Menschen jenseits ihrer nationalen und kulturellen Grenzen verbindet.

Montag, 13. September 2021

Antanas Sutkus: pro memoria

Herausgegeben von Thomas Schirmböck. Steidl Verlag, Göttingen, 1. Auflage 2020. 128 Seiten, 86 Abbildungen, Englisch / Litauisch. Übersetzungen: Sandra Bernotaite (Litauisch), Caryl Swift (Englisch), Edita Gudišaukaite (Polnisch-Litauisch). Lektorat Monte Packhan (Englisch). ISBN 978-3-95829-640-4, 35.00 Euro

Verlagsinfo:
Der 1939 geborene Antanas Sutkus erfuhr von seinen Großeltern bereits während des Zweiten Weltkriegs von der Massentötung der Juden. Er distanzierte sich von der Demütigung und Zerstörung der Menschlichkeit in seinem Heimatland Litauen und empfand Scham und Schuldgefühle für die Gräueltaten, die hinter den Toren des Ghettos Vilijampole und des Neunten Festung begangen wurden. Während der „Sonderaktion 1005“ zwischen 1942 und ’44 versuchte die deutsche Besatzungsmacht, die Relikte der Opfer zu beseitigen. 1988 begann Sutkus, die Juden aus Kaunas zu fotografieren, die dem Tod in den Konzentrationslagern entkommen waren; Pro Memoria präsentiert eine Auswahl dieser Porträts und belegt die Beziehungen, die Sutkus zu den dargestellten Personen geknüpft hat.

Bereits zur Zeit des Großfürsten Gediminas (1275–1341), der aus verschiedenen europäischen Staaten Kaufleute und Handwerker nach Litauen einlud, wurde den Juden dort Schutz und Unterstützung geboten. In den folgenden 600 Jahren haben sie durch ihre Leistungen und Gebete, Druckwerkstätten und Synagogen, Bibliotheken und Turnhallen, Lieder und Legenden in Litauen Wurzeln geschlagen. Dieser lebendige Zweig der litauischen Kulturgeschichte wurde dann gewaltsam zerstört, 200.000 Juden ermordet und an Waldrändern, Steinbrüchen und Todeslagern in Gruben geworfen. Dieses Buch ist eine Hommage an diese Menschen und ein Ausdruck von Bemühungen um Verständnis, Buße, Reinigung und Wiedergeburt.

Sonntag, 12. September 2021

Antanas Sutkus: Planet Lithuania

Herausgegeben von Thomas Schirmböck. Steidl Verlag, Göttingen, 1. Auflage 2018, 2. Auflage 2021. 272 Seiten, Englisch / Deutsch / Französisch / Litauisch. Übersetzungen: Sandra Bernotaite, Jolanta Jezauskaite (Litauisch), Monte Packham (Englisch), Petra Gaines (Deutsch), Jean-Christophe Vigneau, Marielle Vitureau (Französisch). ISBN 978-3-95829-512-4, 38.00 Euro. 

Verlagsinfo:
Dieses Buch ist ein reichhaltiger Überblick über Antanas Sutkus’ Fotos der Bevölkerung seiner Heimat Litauen während der Besetzung durch die Sowjetunion. Sutkus ist vor allem ein humanistischer Fotograf, sein „Kosmos“ sind seine Mitbürger: Kinder, Liebende, Alte; wie sie sich mit Moderne und Tradition, Natur und Stadt auseinandersetzen und ihre Identität ausdrücken – alles in einem offenen, einfühlsamen Stil, der fernab sowjetischer Ideale das Fundament der litauischen Fotoschule bildet.

Indem Sutkus ein Leben in Würde und Integrität hinter dem Eisernen Vorhang enthüllt, ist Sutkus' Werk ebenso politisch wie persönlich, ein Beweis dafür, wie Litauen sein kulturelles Selbst gegen die Sowjetunion behauptet, die das Land vom Zweiten Weltkrieg bis 1990 besetzte. Der Kampf hat inzwischen Früchte getragen: 2004 wurde Litauen sowohl Mitglied der NATO als auch der Europäischen Union und ist heute eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas.

Samstag, 11. September 2021

Neringa Naujokaite: Art Deco

Eine künstlerische Reflexion über den Umgang mit historischer Bausubstanz. Autorinnen: Dr. Monika Krikštopaitytė, Dr. Giedrė Jankevičiūtė, Hrsg.: Neringa Naujokaite. Kettler Verlag, Dortmund 2021, 336 Seiten. ISBN 978-3-86206-924-8, 48,00 Euro. 

Verlagsinfo:

Die Dia- und Videoinstallation Art Deco der litauischen Künstlerin Neringa Naujokaite visualisiert den Restaurierungsprozess einer Wohnung aus der Zwischenkriegszeit in ihrer Heimatstadt Kaunas. Das Buch dokumentiert die umfangreiche Installation, die in ihrer räumlichen Form nur temporär existierte. Gleichzeitig fasst es das über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Künstlerin gesammelte Bild- und Textmaterial zusammen und gibt den komplexen Prozess der authentischen Rekonstruktion des Interieurs wieder.

Neringa Naujokaite (* 1966) studierte an der staatlichen Kunstakademie Vilnius und an der Kunstakademie Düsseldorf. Anschließend absolvierte sie 2003 den Postgraduiertenstudiengang „Audiovisuelle Medien“ an der Kunsthochschule für Medien Köln. Im Fokus ihrer Arbeiten stehen soziale und urbane Räume. Ihr Projekt Art Deco befasst sich mit der Haltung der heutigen litauischen Gesellschaft gegenüber ihrem architektonischen Erbe, das zunehmend von Verfall und Abriss bedroht ist.