Freitag, 13. Juni 2025

Dace Vigante: Eismeer

Aus dem Lettischen übersetzt von Bettina Bergmann. Verlag Friedrich Mauke KG, Weimar 2025. 120 Seiten, ISBN 978-3-948259-30-3, 18,00 €

Verlagsinfo:
Mutter und Tochter – näher zusammen und weiter entfernt können zwei Menschen nicht sein.
Wenige Figuren prägen dieses Kammerspiel: Die schöne stolze Irma, die mit ihrem Mann unter Stalin in ein Straflager am Polarmeer deportiert wird. Ihr damals fünfjähriger Sohn Kaspars und ihre Tochter Māra, zu der Zeit noch ein Baby, die in Lettland zurückbleiben.
Mara, für die ihre Mutter nur ein märchen-haft schönes Bild auf einem Foto war, lernt ihre Mutter kennen, als sie längst ein Teenager ist. Unüberwindbar scheint der sich schnell aufbauende Konflikt. Das Herz der Mutter wirkt von der Kälte des Lagers am Polarmeer gefroren. So vergehen die Jahre in eisiger Nähe. Wie könnte dieses Eis tauen?
»Eismeer« ist die erste Geschichte, mit der Dace Vigante der literarische Durchbruch gelangt. Es ist die Geschichte von Frauen, die durch die engste mögliche Verwandtschaft und das grausamste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte zugleich verbunden und getrennt sind. Die Funken der Intimität und Liebe liegen so tief verborgen, dass es scheint, als sei ein Eismeer über den Herzen entstanden. Es erfordert großen Mut, das Eis der Entfremdung zu durchbrechen. Dace Vigante schreibt darüber.

Donnerstag, 12. Juni 2025

Theodor Nebl: Das Glücksei und die weiße Schlange

 ... sowie weitere schöne estnische Märchen nach Irina Schelesnova. Grundlage ist das Buch "Estnische Märchen", erschienen im Verlag Perioodika, Tallinn 1981 (Märchen nach F.R.Kreutzwald, übersetzt von Gisela Teeäär und Reinhard-Felix Teeäär).
Neu erzählt und in Reime gesetzt von Theodor Nebl. Liebevoll illustriert von Uta Ehlers. Verlag Book on Demands, Norderstedt 2024. ISBN 978-3-769354-8-12, 334 Seiten, 19,80 Euro. 

Verlagsinfo: 
 Estlands bezaubernde Märchenwelt
euch ganz sicher gut gefällt!
Nicht selten spielen darin Prophezeiungen
und Patengeschenke eine Rolle,
meistens einer supertolle!
Prinzessinnen von bösem Zauber
und von Drachen zu befrein
fällt oftmals Bauernburschen ein.
Manch einer, der als Dummling verlacht
und dem der Vater nichts vermacht,
hat es in der Welt zu was gebracht!
Über böses Geschick, Liebe und Mut
wird in den Märchen berichtet
und auf Spannung nicht verzichtet!
Und noch viel mehr und noch viel mehr!
Lest die Märchen, das fällt nicht schwer.
Dann werdet ihr staunend sehn,
gereimt sind sie besonders schön!

Freitag, 23. Mai 2025

Rein Raud: Der Tod des vollendeten Satzes

Roman, aus dem Estnischen von Cornelius Hasselblatt. Rote Katze Verlag, Lübeck 2025. ISBN 978-3-910563-31-5, 202 Seiten, 22.00 Euro.

Verlagsinfo: Estland zur Zeit der Singenden Revolution: Noch existiert die Sowjetunion, die sich das Land 1940 brutal einverleibt hatte, aber seit Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika bröckeln die Strukturen der kommunistischen Diktatur. Viele, vor allem junge Leute, leisten Widerstand und engagieren sich für die Abschüttelung des sowjetischen Jochs und damit für ein freies Estland. Eine Gruppe junger Männer und Frauen hat ein ausgeklügeltes System entwickelt, Personalakten des KGB in die Hände zu bekommen und ins Ausland – nach Schweden und Finnland – zu schmuggeln. Das ist nicht ungefährlich, denn noch funktioniert der Unterdrückungsapparat, der die Gruppe im Visier hat. Zwischenmenschliche Beziehungen, zarte Romanzen und heftige Leidenschaften entstehen – können sie Bestand haben oder werden sie im Spannungsfeld von Vertrauen und Misstrauen gar als Kampfmittel eingesetzt?
Der Autor beschreibt die letzten Jahre vor der Wiedererlangung der Freiheit mit einem feinen Sinn für das menschlich Abgründige und die Komplexität persönlicher Beziehungsgeflechte.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Virginija Kulvinskaite: Vier

Erzählungen. Aus dem Litauischen von Markus Roduner. Klak Verlag, Berlin 2015. ISBN 978-3-911617-11-6, 129 Seiten, 16,90 €.

Verlagsinfo:
Vier Kurzgeschichten aus einer fiktiven Hafenstadt an der Ostsee – vier Hauptfiguren: Lukas, Inga, Marius, Nora – alle im Alter zwischen dreißig und vierzig. Lukas, der aus dem Ausland zurückgekehrte Schriftsteller trifft Damen aus der High Society in einer makabren Situation. Die geschiedene Inga lässt sich auf Männergeschichten ein, um Ihr Glück zu finden. Marius, der Underdog in der Schule, sucht sein Auskommen mit dem Recht der Stärkeren. Und schließlich finden wir Nora mit ihrem jüngeren Liebhaber auf Drogen.
Die Litauerin Kulvinskaitė nimmt Menschen unter die Lupe, die vermeintlich am Rand der Gesellschaft ihr Glück suchen. Spannend, mit makabrem Humor und mit unvorhersehbarer Auflösung.

„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, flüsterte Sara zu Eva gebeugt, aber Lukas hörte jedes Wort mit.
„Noch nichts.“ Eva nahm ein paar Stücke rohen Fisch und legte sie auf ihren Teller.

„Strahlend vor Glück, dass man sie endlich brauchte, beobachtete das Mädchen neugierig, wie ihre Mutter die glänzende Alufolie vom Hals der dunkelgrünen Flasche entfernte. Als Julė den Korken langsam herauszog, hielt sich Brigė die Ohren zu und duckte sich, blieb aber auf dem Sofa sitzen. Das dumpfe Knallen des Korkens, das gleich zu hören wäre, und die Freundin ihrer Mutter, die einer Füchsin mit buschigem Schwanz glich, hielten sie am Ort.“

Vier Kurzgeschichten aus einer fiktiven Hafenstadt an der Ostsee – vier Hauptfiguren. Die Litauerin Kulvinskaitė nimmt Menschen unter die Lupe, die vermeintlich am Rand der Gesellschaft ihr Glück suchen. Spannend, mit makabrem Humor und mit unvorhersehbarer Auflösung.


Freitag, 4. April 2025

Vilis Kasims: LYSERGSÄUREBLUES

Aus dem Lettischen von Lil Reif. Edition fotoTAPETA, Berlin 2025. ISBN 978-3-949262-50-0, 114 Seiten, 15 € (D) | 15,50 € (A) | 17,50 SFR (CH). 

Verlagsinfo:
Flash Fiction aus Lettland. In 37 Texten, Kurzprosa und Gedichtprosa, erzählt der Autor aus einem merkwürdigen Alltag. Mal sitzt dem Erzähler ein Obdachloser auf der Schulter und macht ihm klar, dass alle Anstrengung sowieso nichts bringen wird, mal kommt per Satellitenfernseher echte Farbe ins echte Leben, oder ein altes Radio dient als direkte Verbindung in die eigene Erinnerung. Traum- oder tranceartige Sequenzen führen in eine erlebte und wiederbelebte Wirklichkeit um die Jahrtausendwende im Norden Osteuropas.

Vilis Kasims
geboren 1986, lettischer Autor, Übersetzer, Redakteur und Literaturagent. Bisher drei Prosabände. Kasims übersetzt Literatur aus dem Englischen, Russischen, Katalanischen und Spanischen und ist Redakteur der Literaturzeitschrift Punctum. Er lebt und arbeitet in Riga.

Dienstag, 1. April 2025

Indre Valantinaite (Hg.): Aus dem Jerusalem des Nordens

Gedichte aus Litauen. Eine Anthologie zeitgenössischer litauischer Lyrik. Übersetzt ins Deutsche von Cornelius Hell, übersetzt ins Hebräische von Sivan Beskin. Mediathoughts Verlag, Taufkirchen 2025. ISBN 978-3-947724-55-0, 156 Seiten, 22 Euro. 

Verlagsinfo:
Die Gedichtanthologie „Das Jerusalem des Nordens“, der erste Band unserer neuen Reihe „Literatura Baltica“ versammelt Gedichte von 22 litauischen Dichterinnen und Dichtern. Zusammengestellt und herausgegeben von Indrė Valantinaitė setzen sie sich mit der jüdischen Vergangenheit des Landes, dem jüdischen Leben in Litauen auseinander. Mit dieser dreisprachigen Edition (Litauisch, Hebräisch (Ivrit) und Deutsch) möchten wir unseren Beitrag zu einer universellen Erinnerungskultur leisten und die Schönheit litauischer Poesie einem deutschsprachigen Publikum nahebringen. Die Übersetzung von Cornelius Hell vermittelt Klang und Rhythmus kongenial.

Mit Gedichten von: Lina Buividavičiūtė, Marius Burokas, Ilzė Butkutė, Vaiva Grainytė, Jurgita Jasponytė, Antanas A. Jonynas, Donaldas Kajokas, Laurynas Katkus, Giedrė Kazlauskaitė, Mindaugas Kvietkauskas, Aidas Marčėnas, Kęstutis Navakas, Gytis Norvilas, Violeta Palčinskaitė, Sigitas Parulskis, Kornelijus Platelis, Rolandas Rastauskas, Egidija Šeputytė, Rimas Uzgiris, Indrė Valantinaitė, Tomas Venclova, Agnė Žagrakalytė 

Dienstag, 18. März 2025

Michael Thumann: Eisiges Schweigen flussabwärts

Eine Reise von Moskau nach Berlin. C.H.Beck Verlag, München 2025. ISBN 978-3-406-83003-7, 284 Seiten, 26,00 Euro. 

Verlagsinfo: 
Michael Thumann legt nach seinem SPIEGEL-Bestseller «Revanche» einen sehr persönlichen Reisebericht vor, in dem er die erneute Teilung Europas mit eigenen Augen erkundet. Er beschreibt in eindringlichen Reportagen und Augenzeugenberichten seinen Weg aus Moskau heraus über die schwer bewachten Außengrenzen Russlands, erst nach Osten Richtung Zentralasien, dann nach Westen über die baltischen Staaten und Polen nach Deutschland: von Moskau nach Berlin, mitten durch den neuen Eisernen Vorhang hindurch.
Thumann nimmt uns mit zu endlosen Befragungen an Grenzübergängen, er besucht russische Flüchtlinge in den Nachbarstaaten, kommt auf seinem Weg von Ost nach West mit Menschen aus ganz Osteuropa zusammen und schildert ihre Ängste vor Russlands Revanchismus und Kriegslust. Oder ihre vorauseilende Unterwerfung angesichts von Putins unaufhörlichem Expansionsdrang. Thumann blickt dabei auch auf die eigene Familiengeschichte und seine zerplatzten Träume nach dem Ende der Sowjetunion zurück und spürt den Gründen für das prekäre deutsch-russische Verhältnis in der Geschichte und Gegenwart nach. Thumanns Buch ist ein mitreißendes zeitgeschichtliches Zeugnis von der Suche nach einer Sicherheit, die wir alle verloren haben.  

Dienstag, 25. Februar 2025

Detlev Henning: Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung

Vom 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Aus der Reihe Veröffentlichungen des Nordost-Instituts, Band 25. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2025. ISBN 978-3-447-12341-9, 312 Seiten, 39,00 Euro. 

Verlagsinfo:
Mit dem nationalen Erwachen der baltischen Völker im 19. Jahrhundert begannen Esten, Letten und Litauer, die Geschichte ihrer Nationen und Länder unabhängig von deutschen und russischen Einflüssen zu schreiben und zu erforschen.
Die Monografie Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung bietet erstmals eine Gesamtdarstellung der lettischen Geschichtsschreibung und Geschichtswissenschaft, ihrer Genese im 19. Jahrhundert, ihrer personellen und institutionellen Etablierung nach Gründung der Republik Lettland im Jahr 1918 sowie ihrer weiteren, von politischen und ideologischen Brüchen gekennzeichneten Entwicklung bis in die Gegenwart. Die Studie skizziert die historischen und politischen Herausforderungen, denen sich lettische Historiker in den unterschiedlichen Perioden ihrer Geschichte gegenübersahen, nennt die wichtigsten Protagonisten und Institutionen des lettischen Geschichtsfeldes und beschreibt die Themen und Konzepte, die im Laufe von knapp 150 Jahren die lettischen Diskurse und Kontroversen bestimmten. Umfangreiche Literaturangaben zitieren zudem die wesentlichen Forschungsergebnisse lettischer Historiker, die aufgrund sprachlicher Grenzen oftmals nur wenigen westlichen Fachleuten bekannt sind.

Freitag, 21. Februar 2025

Ricarda Messner: Wo der Name wohnt

Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2025. ISBN 978-3-518-43232-7, 170 Seiten, 23.00 Euro.

Verlagsinfo: 
Hausnummer 36 und 37, hier in Berlin haben sie jahrelang in direkter Nachbarschaft gelebt. Als Kind spielte die Enkeltochter Tischtennis auf dem Glastisch im Wohnzimmer der Großeltern. Als Erwachsene löst sie deren Wohnung schließlich auf, bringt Besteck, Töpfe und Musikkassetten nach nebenan zu sich. Und sie will noch etwas bewahren: Levitanus, den Familiennamen. Der Wunsch, den Namen wieder anzunehmen, begleitet sie nicht nur im Alltag, sondern führt sie auch nach Riga. Sie folgt den Worten ihres Urgroßvaters Salomon und findet ein Fenster im ehemaligen Rigaer Ghetto, das eng mit ihrer Familiengeschichte verknüpft ist – und sie zeichnet die Bewegungen von vier Generationen nach, vom sowjetischen Lettland der siebziger Jahre bis nach Deutschland.
Ricarda Messner erzählt in ihrem Debütroman vom Ort ihrer Erinnerungen, kehrt immer wieder zurück zum Leben in zwei Wohnungen, nähert sich Verlusten und Lücken, verbindet Heute und Gestern. Wo der Name wohnt lässt so zärtlich wie klar eine Familie aufleben und bewahrt ihre Geschichten.

Literaturpreis Fulda

Donnerstag, 30. Januar 2025

Indrek Hargla: Apotheker Melchior und der Teufel von Gotland

Kriminalroman aus dem alten Tallinn. Aus dem Estnischen von Cornelius Hasselblatt. Rote Katze Verlag, Lübeck 2024. ISBN 978-3-910563-23-0, 540 Seiten, 24.00 Euro.

Verlagsinfo:
Reval, estnisch Tallinn, im Jahre 1433: Apotheker Melchior Wakenstede wird an das Sterbelager eines wohlhabenden Kaufmanns gebeten, der von ihm indes keine Arzneien
will, sondern ihn mit der Klärung einer lang zurückliegenden Bluttat beauftragt. Während er versucht, das Rätsel der Vergangenheit zu lösen, wird plötzlich sein Lehrjunge ermordet und bald darauf auch Melchiors Leben bedroht. Wie hängt das alles zusammen mit der Warnung in einem Brief, die er von seinem Sohn aus Lübeck bekommen hat? Ist der darin erwähnte Gotlandteufel auf Mord aus? Hat er es auf den Apotheker abgesehen? Und wieso wird Melchior das Gefühl nicht los, dass für den Mord an seinem Lehrjungen die falsche Person gehenkt worden ist?
Parallel dazu setzt Melchior junior in Lübeck seinen Lebensweg fort und versucht seiner großen Liebe Lucia näherzukommen. Kann er die Tochter des stark verschuldeten Kaufmanns für sich gewinnen? Einmal schon hat er für seine Liebe einen Mord begangen, muss er es wieder tun?