Bereits seit 2007 stellt dieser Blog ins Deutsche übersetzte Publikationen aus Estland, Lettland und Litauen vor. Gleichzeitig werden Publikationen deutschsprachiger Autorinnen und Autoren mit estnischen, lettischen oder litauischen Themen einbezogen. Wir möchten aufrufen, verschiedene Leseeindrücke auszutauschen. Die hier aufgeführten Bücher werden für eine Vorstellung in der Radiosendung BALTISCHE STUNDE (Radioweser.tv) vorgeschlagen.
Mittwoch, 6. August 2025
Simon Theokas: Der kleine Luchs vom Usma-See
Verlagsinfo: Eine Freundschaft zwischen Tier und Mensch in einem der ältesten Naturschutzgebiete Lettlands. Der kleine Luchs ist mit vielen Tieren befreundet und mit einem ganz besonderen Mann namens Alfreds. Voller Vorfreude ist der kleine Luchs unterwegs zum See, um dort einen schönen Tag mit dem knurrigen Dachs, dem fleißigen Biber und dem starken Bären zu verbringen. Doch es kommt alles anders und ein großes Abenteuer beginnt. Den Usma See gibt es wirklich, er liegt hoch oben im Norden in einem der ältesten Naturschutzgebiete Lettlands und Europas. Dort leben zahlreiche Luchse, aber auch andere wundervolle Tiere.
Montag, 4. August 2025
Kairi Look: Pia Pfefferminz zieht ein
Verlagsinfo: Pia Pfefferminz zieht das erste Mal in ihrem Leben um: in ein schönes altes Haus in der Pappelallee. Im Nu schließt das Vorschulkind dort neue Freundschaften, mit der Nachbarin und ihrem Bernhardiner Baron genau wie mit der Motte im Kleiderschrank. Die Welt der Erwachsenen betrachtet Pia auf ganz eigene Weise. So beobachtet sie zum Beispiel den geheimnisvollen Mann in ihrem Haus, der irgendwas mit Politik zu tun hat und sich in Luft auflöst, sobald man sich ihm nähert. Sie hat viel Spaß mit Pirka, der punkigen Freundin von Onkel Rasmus, und tröstet ihren Großvater, wenn die Großmutter ihm verbietet, mit seinem Moped herumzuflitzen.
In 31 bunt illustrierten Geschichten erleben wir kleine Alltagsabenteuer mit Pia Pfefferminz und werden dabei wunderbar unterhalten. Ein großes Vergnügen!
Freitag, 13. Juni 2025
Dace Vigante: Eismeer
Aus dem Lettischen übersetzt von Bettina Bergmann. Verlag Friedrich Mauke KG, Weimar 2025. 120 Seiten, ISBN 978-3-948259-30-3, 18,00 €Verlagsinfo:
Mutter und Tochter – näher zusammen und weiter entfernt können zwei Menschen nicht sein.
Wenige Figuren prägen dieses Kammerspiel: Die schöne stolze Irma, die mit ihrem Mann unter Stalin in ein Straflager am Polarmeer deportiert wird. Ihr damals fünfjähriger Sohn Kaspars und ihre Tochter Māra, zu der Zeit noch ein Baby, die in Lettland zurückbleiben.
Mara, für die ihre Mutter nur ein märchen-haft schönes Bild auf einem Foto war, lernt ihre Mutter kennen, als sie längst ein Teenager ist. Unüberwindbar scheint der sich schnell aufbauende Konflikt. Das Herz der Mutter wirkt von der Kälte des Lagers am Polarmeer gefroren. So vergehen die Jahre in eisiger Nähe. Wie könnte dieses Eis tauen?
»Eismeer« ist die erste Geschichte, mit der Dace Vigante der literarische Durchbruch gelangt. Es ist die Geschichte von Frauen, die durch die engste mögliche Verwandtschaft und das grausamste Jahrhundert der Menschheitsgeschichte zugleich verbunden und getrennt sind. Die Funken der Intimität und Liebe liegen so tief verborgen, dass es scheint, als sei ein Eismeer über den Herzen entstanden. Es erfordert großen Mut, das Eis der Entfremdung zu durchbrechen. Dace Vigante schreibt darüber.
Donnerstag, 12. Juni 2025
Theodor Nebl: Das Glücksei und die weiße Schlange
Neu erzählt und in Reime gesetzt von Theodor Nebl. Liebevoll illustriert von Uta Ehlers. Verlag Book on Demands, Norderstedt 2024. ISBN 978-3-769354-8-12, 334 Seiten, 19,80 Euro.
Verlagsinfo:
Estlands bezaubernde Märchenwelt
euch ganz sicher gut gefällt!
Nicht selten spielen darin Prophezeiungen
und Patengeschenke eine Rolle,
meistens einer supertolle!
Prinzessinnen von bösem Zauber
und von Drachen zu befrein
fällt oftmals Bauernburschen ein.
Manch einer, der als Dummling verlacht
und dem der Vater nichts vermacht,
hat es in der Welt zu was gebracht!
Über böses Geschick, Liebe und Mut
wird in den Märchen berichtet
und auf Spannung nicht verzichtet!
Und noch viel mehr und noch viel mehr!
Lest die Märchen, das fällt nicht schwer.
Dann werdet ihr staunend sehn,
gereimt sind sie besonders schön!
Freitag, 23. Mai 2025
Rein Raud: Der Tod des vollendeten Satzes
Verlagsinfo: Estland zur Zeit der Singenden Revolution: Noch existiert die Sowjetunion, die sich das Land 1940 brutal einverleibt hatte, aber seit Gorbatschows Politik von Glasnost und Perestroika bröckeln die Strukturen der kommunistischen Diktatur. Viele, vor allem junge Leute, leisten Widerstand und engagieren sich für die Abschüttelung des sowjetischen Jochs und damit für ein freies Estland. Eine Gruppe junger Männer und Frauen hat ein ausgeklügeltes System entwickelt, Personalakten des KGB in die Hände zu bekommen und ins Ausland – nach Schweden und Finnland – zu schmuggeln. Das ist nicht ungefährlich, denn noch funktioniert der Unterdrückungsapparat, der die Gruppe im Visier hat. Zwischenmenschliche Beziehungen, zarte Romanzen und heftige Leidenschaften entstehen – können sie Bestand haben oder werden sie im Spannungsfeld von Vertrauen und Misstrauen gar als Kampfmittel eingesetzt?
Der Autor beschreibt die letzten Jahre vor der Wiedererlangung der Freiheit mit einem feinen Sinn für das menschlich Abgründige und die Komplexität persönlicher Beziehungsgeflechte.
Donnerstag, 22. Mai 2025
Virginija Kulvinskaite: Vier
Verlagsinfo:
Vier Kurzgeschichten aus einer fiktiven Hafenstadt an der Ostsee –
vier Hauptfiguren: Lukas, Inga, Marius, Nora – alle im Alter zwischen
dreißig und vierzig. Lukas, der aus dem Ausland zurückgekehrte
Schriftsteller trifft Damen aus der High Society in einer makabren
Situation. Die geschiedene Inga lässt sich auf Männergeschichten ein, um
Ihr Glück zu finden. Marius, der Underdog in der Schule, sucht sein
Auskommen mit dem Recht der Stärkeren. Und schließlich finden wir Nora
mit ihrem jüngeren Liebhaber auf Drogen.
Die Litauerin Kulvinskaitė nimmt Menschen unter die Lupe, die
vermeintlich am Rand der Gesellschaft ihr Glück suchen. Spannend, mit
makabrem Humor und mit unvorhersehbarer Auflösung.
„Und was machen wir jetzt mit ihm?“, flüsterte Sara zu Eva gebeugt, aber Lukas hörte jedes Wort mit.
„Noch nichts.“ Eva nahm ein paar Stücke rohen Fisch und legte sie auf ihren Teller.
„Strahlend vor Glück, dass man sie endlich brauchte, beobachtete das Mädchen neugierig, wie ihre Mutter die glänzende Alufolie vom Hals der dunkelgrünen Flasche entfernte. Als Julė den Korken langsam herauszog, hielt sich Brigė die Ohren zu und duckte sich, blieb aber auf dem Sofa sitzen. Das dumpfe Knallen des Korkens, das gleich zu hören wäre, und die Freundin ihrer Mutter, die einer Füchsin mit buschigem Schwanz glich, hielten sie am Ort.“
Vier Kurzgeschichten aus einer fiktiven Hafenstadt an der Ostsee – vier Hauptfiguren. Die Litauerin Kulvinskaitė nimmt Menschen unter die Lupe, die vermeintlich am Rand der Gesellschaft ihr Glück suchen. Spannend, mit makabrem Humor und mit unvorhersehbarer Auflösung.
Freitag, 4. April 2025
Vilis Kasims: LYSERGSÄUREBLUES
Verlagsinfo:
Flash Fiction aus Lettland. In 37 Texten, Kurzprosa und Gedichtprosa,
erzählt der Autor aus einem merkwürdigen Alltag. Mal sitzt dem Erzähler
ein Obdachloser auf der Schulter und macht ihm klar, dass alle
Anstrengung sowieso nichts bringen wird, mal kommt per
Satellitenfernseher echte Farbe ins echte Leben, oder ein altes Radio
dient als direkte Verbindung in die eigene Erinnerung. Traum- oder
tranceartige Sequenzen führen in eine erlebte und wiederbelebte
Wirklichkeit um die Jahrtausendwende im Norden Osteuropas.
Vilis Kasims
geboren 1986, lettischer Autor, Übersetzer, Redakteur und Literaturagent. Bisher drei Prosabände. Kasims übersetzt Literatur aus dem Englischen, Russischen, Katalanischen und Spanischen und ist Redakteur der Literaturzeitschrift Punctum. Er lebt und arbeitet in Riga.
Dienstag, 1. April 2025
Indre Valantinaite (Hg.): Aus dem Jerusalem des Nordens
Verlagsinfo:
Die Gedichtanthologie „Das Jerusalem des Nordens“, der erste Band
unserer neuen Reihe „Literatura Baltica“ versammelt Gedichte von 22
litauischen Dichterinnen und Dichtern. Zusammengestellt und
herausgegeben von Indrė Valantinaitė setzen sie sich mit der jüdischen
Vergangenheit des Landes, dem jüdischen Leben in Litauen auseinander.
Mit dieser dreisprachigen Edition (Litauisch, Hebräisch (Ivrit) und
Deutsch) möchten wir unseren Beitrag zu einer universellen
Erinnerungskultur leisten und die Schönheit litauischer Poesie einem
deutschsprachigen Publikum nahebringen. Die Übersetzung von Cornelius
Hell vermittelt Klang und Rhythmus kongenial.
Mit Gedichten von: Lina Buividavičiūtė, Marius Burokas, Ilzė Butkutė, Vaiva Grainytė,
Jurgita Jasponytė, Antanas A. Jonynas, Donaldas Kajokas, Laurynas
Katkus, Giedrė Kazlauskaitė, Mindaugas Kvietkauskas, Aidas Marčėnas,
Kęstutis Navakas, Gytis Norvilas, Violeta Palčinskaitė, Sigitas
Parulskis, Kornelijus Platelis, Rolandas Rastauskas, Egidija Šeputytė,
Rimas Uzgiris, Indrė Valantinaitė, Tomas Venclova, Agnė Žagrakalytė
Dienstag, 18. März 2025
Michael Thumann: Eisiges Schweigen flussabwärts
Eine Reise von Moskau nach Berlin. C.H.Beck Verlag, München 2025. ISBN 978-3-406-83003-7, 284 Seiten, 26,00 Euro.
Verlagsinfo:
Michael Thumann legt nach seinem SPIEGEL-Bestseller «Revanche» einen
sehr persönlichen Reisebericht vor, in dem er die erneute Teilung
Europas mit eigenen Augen erkundet. Er beschreibt in eindringlichen
Reportagen und Augenzeugenberichten seinen Weg aus Moskau heraus über
die schwer bewachten Außengrenzen Russlands, erst nach Osten Richtung
Zentralasien, dann nach Westen über die baltischen Staaten und Polen
nach Deutschland: von Moskau nach Berlin, mitten durch den neuen
Eisernen Vorhang hindurch.
Thumann nimmt uns mit zu endlosen
Befragungen an Grenzübergängen, er besucht russische Flüchtlinge in den
Nachbarstaaten, kommt auf seinem Weg von Ost nach West mit Menschen aus
ganz Osteuropa zusammen und schildert ihre Ängste vor Russlands
Revanchismus und Kriegslust. Oder ihre vorauseilende Unterwerfung
angesichts von Putins unaufhörlichem Expansionsdrang. Thumann blickt
dabei auch auf die eigene Familiengeschichte und seine zerplatzten
Träume nach dem Ende der Sowjetunion zurück und spürt den Gründen für
das prekäre deutsch-russische Verhältnis in der Geschichte und Gegenwart
nach. Thumanns Buch ist ein mitreißendes zeitgeschichtliches Zeugnis
von der Suche nach einer Sicherheit, die wir alle verloren haben.
Dienstag, 25. Februar 2025
Detlef Henning: Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung
Verlagsinfo:
Mit
dem nationalen Erwachen der baltischen Völker im 19. Jahrhundert
begannen Esten, Letten und Litauer, die Geschichte ihrer Nationen und
Länder unabhängig von deutschen und russischen Einflüssen zu schreiben
und zu erforschen.
Die Monografie Geschichte der lettischen Geschichtsschreibung
bietet erstmals eine Gesamtdarstellung der lettischen
Geschichtsschreibung und Geschichtswissenschaft, ihrer Genese im 19.
Jahrhundert, ihrer personellen und institutionellen Etablierung nach
Gründung der Republik Lettland im Jahr 1918 sowie ihrer weiteren, von
politischen und ideologischen Brüchen gekennzeichneten Entwicklung bis
in die Gegenwart. Die Studie skizziert die historischen und politischen
Herausforderungen, denen sich lettische Historiker in den
unterschiedlichen Perioden ihrer Geschichte gegenübersahen, nennt die
wichtigsten Protagonisten und Institutionen des lettischen
Geschichtsfeldes und beschreibt die Themen und Konzepte, die im Laufe
von knapp 150 Jahren die lettischen Diskurse und Kontroversen
bestimmten. Umfangreiche Literaturangaben zitieren zudem die
wesentlichen Forschungsergebnisse lettischer Historiker, die aufgrund
sprachlicher Grenzen oftmals nur wenigen westlichen Fachleuten bekannt
sind.
Freitag, 21. Februar 2025
Ricarda Messner: Wo der Name wohnt
Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2025. ISBN 978-3-518-43232-7, 170 Seiten, 23.00 Euro.
Verlagsinfo:
Hausnummer 36 und 37, hier in Berlin haben sie jahrelang in direkter
Nachbarschaft gelebt. Als Kind spielte die Enkeltochter Tischtennis auf
dem Glastisch im Wohnzimmer der Großeltern. Als Erwachsene löst sie
deren Wohnung schließlich auf, bringt Besteck, Töpfe und Musikkassetten
nach nebenan zu sich. Und sie will noch etwas bewahren: Levitanus, den
Familiennamen. Der Wunsch, den Namen wieder anzunehmen, begleitet sie
nicht nur im Alltag, sondern führt sie auch nach Riga. Sie folgt den
Worten ihres Urgroßvaters Salomon und findet ein Fenster im ehemaligen
Rigaer Ghetto, das eng mit ihrer Familiengeschichte verknüpft ist – und
sie zeichnet die Bewegungen von vier Generationen nach, vom sowjetischen
Lettland der siebziger Jahre bis nach Deutschland.
Ricarda
Messner erzählt in ihrem Debütroman vom Ort ihrer Erinnerungen, kehrt
immer wieder zurück zum Leben in zwei Wohnungen, nähert sich Verlusten
und Lücken, verbindet Heute und Gestern. Wo der Name wohnt lässt so zärtlich wie klar eine Familie aufleben und bewahrt ihre Geschichten.
Donnerstag, 30. Januar 2025
Indrek Hargla: Apotheker Melchior und der Teufel von Gotland
Verlagsinfo:
Reval, estnisch Tallinn, im Jahre 1433: Apotheker Melchior Wakenstede
wird an das Sterbelager eines wohlhabenden Kaufmanns gebeten, der von
ihm indes keine Arzneien
will, sondern ihn mit der Klärung einer lang zurückliegenden Bluttat
beauftragt. Während er versucht, das Rätsel der Vergangenheit zu lösen,
wird plötzlich sein Lehrjunge ermordet und bald darauf auch Melchiors
Leben bedroht. Wie hängt das alles zusammen mit der Warnung in einem
Brief, die er von seinem Sohn aus Lübeck bekommen hat? Ist der darin
erwähnte Gotlandteufel auf Mord aus? Hat er es auf den Apotheker
abgesehen? Und wieso wird Melchior das Gefühl nicht los, dass für den
Mord an seinem Lehrjungen die falsche Person gehenkt worden ist?
Parallel dazu setzt Melchior junior in Lübeck seinen Lebensweg fort und
versucht seiner großen Liebe Lucia näherzukommen. Kann er die Tochter
des stark verschuldeten Kaufmanns für sich gewinnen? Einmal schon hat er
für seine Liebe einen Mord begangen, muss er es wieder tun?