Mittwoch, 6. November 2024

Stephan Kessler (Hrsg.): Baltische Sprachen und Kulturen in der Diaspora

Schriftenreihe der Gesellschaft für Baltische Studien 6 (SGBS 6), Baar Verlag Hamburg 2024, ISBN 978-3-935536-85-1, 249 Seiten, 72,00 €. 

Verlagsinfo:
In der öffentlichen Wahrnehmung wird das Thema „Migration“ in der Regel mit wenigen Herkunftsregionen weltweit assoziiert. Wenig bekannt ist im deutsch-sprachigen Raum hingegen die Migration aus dem Baltikum, obwohl sie gerade dort eine große politische und soziale Rolle spielt. Wie viele lettische und litauische Wanderungsgenerationen gibt es und wohin sind die Auswandernden gegangen? Warum haben sie ihre Heimat verlassen und wie erging es ihnen an ihren neuen Lebensmittelpunkten? Der vorliegende Band dokumentiert die verschiedenen Weisen, in denen Migration aus Lettland und Litauen gelebt wurde bzw. wird, und er will dazu anregen, die lettische und litauische Diaspora der Gegenwart differenziert zu betrachten. Neben fundierten historischen, literarischen und soziologischen Beiträgen behandelt er auch außergewöhnliche Alltagsfacetten der baltischen Diaspora: z. B. eine von Eltern organisierte Sonntagsschule in den Vereinigten Arabischen Emiraten; litauische Internet-Memes, die sich über die seltsamen Verhaltensweisen der Expats lustig machen; die Bedeutung der heimischen Küche für die, die in der Diaspora „anders essen“; oder die Motive, nach denen baltische Diasporians Vornamen für ihre Kinder wählen. (siehe Tagungsprogramm)

Inhalt:
Stephan Kessler: »Die lettische und litauische Diaspora heute: Eine Einführung in das Thema und in den Tagungsband«
Aleksej Andronov / Lidija Leikuma: »Unbekannte östliche Diaspora: Vergangenheit und Gegenwart der Lettgaller Sibiriens«
Helmut Schaller: »Die Baltische Philologie an der Universität München«
Dalia Kiseliūnaitė: »Das Nehrungskurische nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und Schweden«
Geert Franzenburg: »Die Bedeutung des Lettischen Gymnasiums Münster für die lettische Diaspora aus religionspsychologischer Sicht«
Inguna Daukste-Silasproģe: »Lettische Exilliteratur im Spannungsfeld zwischen nationaler Selbstisolation und fremden kulturellen Einflüssen«
Eleonore Kruse: »Leben in zwei Welten – die Integration der lettischen Diaspora in Kanada«
Albert Caspari: »Die Sichtweise deutscher Initiativen und Nichtregierungsorganisationen: Die baltische Diaspora als potentielle Mittlerin im Kultur- und Erfahrungsaustausch«
Inga Sindi: »Chancen und Herausforderungen einer multilinguistischen Erziehung in Dubai am Beispiel von Kindern aus lettischsprachigen Familien«
Alina Baravykaitė: »Litauisch als (›kleine‹) Fremdsprache an der Universität Greifswald«
Anastasija Kostiučenko: »Zum Emigrant*innenbild in der litauisch-sprachigen Virtual Community (am Beispiel von Internet-Memes)«
Ojārs Lāms / Mārtiņš Laizāns: »Die Mensa der Gastarbeiter: Wenn der Bauch unter Heimweh leidet«
Christiane Schiller: »Motive der Vornamenwahl für Kinder von in Deutschland lebenden Litauerinenn und Litauern«

Freitag, 1. November 2024

Arnis Aleinikovas: Das Meer

Gedichte. Illustrationen von Jules Sacco. Verlag Kulturjournal "Turtle Magazin", München 2024. Übersetzung ins Englische von Dominyka Budinavičiūtė, aus dem Englischen ins Deutsche von Lara Wüster, Sabrina Laue, Leonie Winter, Marleen Uebler. 140 Seiten, 15 Euro. 

Arnis Aleinikovas

Verlagsinfo: 

Arnis hat auf litauisch seine Gedichte geschrieben und gesammelt, während die wunderbare Jules Sacco passende und eindrucksvolle Illustrationen gezeichnet hat. Wir haben die Gedichte gemeinsam mit Arnis ins Deutsche übersetzt und an der Anordnung gearbeitet! In seinem Debütgedichtband verschmelzen im Hier und Jetzt eingefangene Momente mit Erinnerungen, Träumen und Illusionen. Der Autor untersucht sensibel Themen wie Identität, Angst, Realität und Beziehungen und lädt den Leser ein, das „Meer“ aus verschiedenen, ständig wechselnden Perspektiven zu betrachten.

„Blitze von Alltagsmomenten, wie die Sonne, die in den Gischt der Meereswellen glitzert und verschwindet—hinein in die Sehnsucht nach Sinn, die Sehnsucht nach einem geliebten Menschen, die Sehnsucht nach einem friedlichen Dasein. Wir werden eingeladen, Zeugen und Begleiter dieser Blitze zu sein—dort, wo der Schnee sorgfältig und langsam geräumt wurde, wo die Knospen der Blumen bereits sprießen.“ (Schriftstellerin und Dramatikerin Virginija Rimkaitė).

„Arnis Aleinikovas’ oft recht einfache Zeilen, gefüllt mit poetischen und mythischen Bedeutungen, transportieren vertraute Welten über die Grenzen des individuellen Wahrnehmungsvermögens hinaus.“ (Autorin und Turtle Magazine Gründerin Lara Wuester).

Freitag, 11. Oktober 2024

Anja Jonuleit: Sonnenwende

Roman. Penguin Verlag, München 2024. 336 Seiten, ISBN: 978-3-328-60337-5, 18,00 Euro. 

Verlagsinfo:
Der fulminante Abschluss der erfolgreichen »Kaiserwald«-Dilogie von SPIEGEL-Bestsellerautorin Anja Jonuleit

»Ich erinnere mich noch gut daran, als wir im Kaiserwald ankamen. Es war, als würde man an einen Ort reisen, den es gar nicht mehr gab.«
25 Jahre nach dem Verschwinden von Rebecca Maywald in Riga ist ihre Tochter durch einen anonymen Brief auf die Diplomatenfamilie von Prokhoff aufmerksam geworden. Deren Stiftung »Drei Linden« finanziert dubiose Ökodörfer in ganz Europa. Dass Rebeccas Tochter sich in den Sohn der Familie verliebt, war nicht vorgesehen – um keinen Preis darf er ihre wahre Identität erfahren. Und auch er verbirgt etwas vor ihr: Was hat es mit seinen nächtlichen Alpträumen auf sich? Wer ist „J“ in seinem Kalender? Ein weiterer Hinweis führt sie nach Lettland. Angeblich will sie sich das Ökodorf »Tris Liepas« anschauen. In Wahrheit aber muss sie endlich Klarheit gewinnen über das Schicksal ihrer Mutter. Doch die von Prokhoffs setzen alles daran, ein dunkles Geheimnis zu bewahren. Die grandiose Fortsetzung des Erfolgsromans »Kaiserwald« von SPIEGEL-Bestsellerautorin Anja Jonuleit

Mittwoch, 9. Oktober 2024

Jānis Joņevs: Dezember

Dokumentarischer Roman. Aus dem Lettischen von Bettina Bergmann, 224 Seiten, 16,- €. Erschienen bei Parasitenpresse, Verlag für neue Literatur, Köln 2024.

Verlagsinfo:
„Nach einer Weile kehrte ich zum »nicht existierenden Wahnsinnigen«, zu den »ausgedachten« Dingen zurück. Die Sache ließ mir keine Ruhe mehr. Prokrastination im Internet ist immer produktiv, und schon sehr schnell konnte ich es präzisieren. Die Sache war im Jahr 1997 »nicht passiert«. Aber im Internet fand ich darüber wenig. Ein guter Grund, es ruhen zu lassen. Damals scheute ich mich noch davor, Leute zu befragen. Das Thema erschien mir nicht korrekt, nicht geistreich. Aber es gab andere Quellen, nach denen man suchen konnte. Deshalb zog ich mich von den geistreichen Gesprächen auf der Terrasse zurück in die Bibliothek und begann, in der Presse aus jener Zeit zu blättern.“

Der lettische Schriftsteller Jānis Joņevs nimmt uns mit auf eine Spurensuche zurück in die 1990er Jahre. Brutale Morde in Riga, die von der Presse zu einer Mordserie aufgebauscht werden, werden noch einmal untersucht, durch Befragungen und Recherche in alten Zeitungsberichten. Eine True-Crime-Geschichte, die zugleich ein Panoptikum der wilden Nachwende-Jahre ist, in der alles möglich schien.

Dienstag, 1. Oktober 2024

Debora Sommer: Juliane von Krüdener

Eine Baronin missioniert Europa. Francke Buch-GmbH, Marburg 2024. 400 Seiten, ISBN 978-3-96362-416-2, 16,00 €.

Verlagsinfo: 
Die hochgebildete, deutschbaltische Botschaftergattin Juliane von Krüdener (1764–1824) versetzte mit ihrem missionarischen Wirken halb Europa in Aufruhr: durch ihre Botschaft, ihren Einfluss auf die europäische Politik als Vertraute von Zar Alexander I. sowie als Sozialreformerin von West- bis Osteuropa.
Tauchen Sie ein in die Zeit der französischen Revolution. Entdecken Sie die vergessene Geschichte einer einflussreichen Schriftstellerin und Salondame, die die vorherrschenden Schranken durchbrach und im Auftrag Gottes mutig neue Wege beschritt.
Anhand neuester Forschungsergebnisse dokumentiert diese Biografie das Leben einer faszinierenden Zeitgenossin von Napoleon, Goethe und Pestalozzi, die durch einen Herrnhuter zum lebendigen Glauben an Jesus Christus fand, und gibt ihr ihren Platz in der Geschichte zurück.

Mittwoch, 25. September 2024

Riss durch Europa | Rift through Europe

Die Folgen des Hitler-Stalin-Pakts. Perspektiven aus Ostmitteleuropa. Herausgegeben von Anke Hilbrenner, Christoph Meißner und Jörg Morré. Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 296 Seiten, ISBN 978-3-8353-5781-5, € 26,00 (D) / € 26,80 (A)

Verlagsinfo:
Mit dem Hitler-Stalin-Pakt begann vor 85 Jahren der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Erinnerungen an dieses Abkommen trennt bis heute die Erinnerungsgemeinschaften in Ost und West.

Für die Länder Ost- und Mitteleuropas hatte die Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts am 23. August 1939 schwerwiegende Folgen. Eine Woche später überfiel Deutschland Polen und löste den Zweiten Weltkrieg aus. Nur weitere zwei Wochen später begann auch die Sowjetunion mit Angriffen auf die Länder Ost- und Mitteleuropas. Beide Seiten annektierten gewaltsam Territorien und beendeten die Unabhängigkeit ganzer Staaten. Ihre Besatzungspolitik war von massenhafter tödlicher Gewalt geprägt. Mit dem Angriff des Deutschen Reichs auf Sowjetunion am 22. Juni 1941 endete die Übereinkunft der Diktatoren abrupt. Die Folgen des Pakts aber blieben in Ost- und Mitteleuropa durch die erneute sowjetische Okkupation 1944 und den sich anschließenden Kalten Krieg bis zum Zerfall der Sowjetunion 1991 bestehen. Viele der heutigen europäischen Grenzen gehen auf diesen Pakt zurück. Deshalb leben die Erinnerungen an die Ereignisse von 1939 bis 1941 fort und prägen die Gesellschaft und Politik der Staaten Ost- und Mitteleuropas bis heute. Mit der Osterweiterung der Europäischen Union 2004 wurden diese Perspektiven zwar zunehmend lauter geäußert, dennoch wollen sie bis heute nicht alle hören. Der Band erscheint zur gleichnamigen Ausstellung, die anlässlich des 85. Jahrestags der Unterzeichnung des Paktes ab dem 23. August 2024 im Museum Berlin-Karlshorst gezeigt wird.

Der Band ist zweisprachig - Deutsch und Englisch.

Sonntag, 8. September 2024

Meelis Friedenthal: Die Bienen

Aus dem Estnischen von Cornelius Hasselblatt. Kommode Verlag, Zürich 2024, 300 Seiten, ISBN 978-3-905574-34-0, 28.00 Euro. 

Verlagsinfo:
Mit einer Reisetasche und einem neugierigen Papagei kommt der junge Student Laurentius Hylas Ende des 17. Jahrhunderts im winterlichen Estland an. Auf der Flucht vor einer düsteren Vergangenheit und dem Verdacht der Ketzerei macht er sich auf den Weg nach Tartu, der „Stadt der Musen“. In diesem wissenschaftlichen und philosophischen Umfeld, das in der Zukunft zum Zeitalter der Aufklärung führen sollte, sucht Laurentius wie besessen nach einem Heilmittel für die Krankheit, die ihn quält und die seine Zeitgenossen Melancholie nennen, eine Depression. Doch je mehr er sich mit Fragen beschäftigt, die er nicht beantworten kann – Woher kommt die Seele? Welche Beziehung besteht zwischen ihr und dem Körper? - desto mehr wird er von der Welt des Aberglaubens und der Heilmittel der Bauern auf dem Land angezogen. Eine Welt, die er schon als Kind kannte, als er an Hexenjagden teilnahm, und die ihn in Träumen und Visionen heimsucht. Und eine Welt, die er fürchtet und die sich mit der Realität zu vermischen beginnt.

Friedenthal taucht tief ins Mittelalter ein, um von der Entstehung eines neuen Zeitalters der Vernunft zu erzählen. Eine Zeit, in der sich die moderne Medizin ihren Weg durch Ängste und den alten Glauben an die Alchemie bahnt. Der dunkle Norden von der strahlenden Antike träumt und von der Harmonie einer Welt, die vielleicht durch eine Sehnsucht nach Licht, Gold und Honig heilen kann.

Donnerstag, 5. September 2024

Denise Snieguolė Wachter: Vilnius

Rezepte, Geschichten und Menschen aus Litauen • Das Kochbuch zur baltischen Küche – eine kulinarische Reise durch Litauens Hauptstadt. AT-Verlag, Aarau und München 2024, 240 Seiten, ISBN: 978-3-03902-237-3, Format: 19 cm x 25 cm, 36,00 Euro.

Verlagsinfo:
Die Vielfalt der litauischen Küche kennenlernen
Vilnius, eine Stadt mit einer jahrhundertealten Geschichte, überzeugt kulinarisch mit ihrer Vielfalt an köstlichen Gerichten. Wir begleiten Denise Snieguole Wachter in die Heimatstadt ihrer Mutter. Dorthin, wo sie einst viele Sommer verbracht hat. Die Erinnerungen daran hat die Autorin in diesem Buch eingefangen. Mit Gerichten und Geschichten über Menschen, die die Küche in Vilnius zu der machen, die sie heute ist. Mit Märkten, die für die Vergangenheit stehen und für die Gegenwart.
In der jungen Gastroszene von Vilnius treffen sich Gastronominnen und Gastronomen, deren Nationalstolz und Streben nach höchster Qualität eins sind, die die Gerichte ihrer Heimat lieben und ihnen trotzdem einen modernen Anstrich geben wollen.
Das Kochbuch bietet typische Gerichte wie das frittierte Knoblauch-Brot »Kepta duona« mit litauischem Aioli oder die pinke Suppe »Saltibarsciai«, aber auch eigene Interpretationen wie Carpaccio von der Forelle oder den Vilnius-Burger. Auch raffinierte Desserts wie die beliebte Napoleontorte kommen nicht zu kurz. Dieses Buch ist eine inspirierende Reise zu den kulinarischen Highlights der Hauptstadt Litauens.

Denise Snieguole Wachter ist die Genuss- und Kulinarik-Expertin des STERN, die schon als Kind lieber Kochbücher als Romane las. Sie ist fasziniert davon, wie man mit Gerichten Geschichten erzählen kann.

Montag, 2. September 2024

Anšlavs Eglītis: Schwäbisches Capriccio

Originaltitel: "Švābu Kapričo" (1951). Aus dem Lettischen von Berthold Forssman. Guggolz-Verlag, Berlin 2024. 314 Seiten, ISBN 987-3-945370-47-6, 25 Euro. 

Verlagsinfo:
Anšlavs Eglītis (1906–1993) nutzte die eigene Lebensgeschichte – seine Flucht 1944 vor der Roten Armee nach Deutschland – als Vorlage für einen bitterkomischen Episodenroman. Der ausgebombte lettische Flüchtling Pēteris Drusts strandet von Berlin aus in dem kleinen Städtchen Pfifferlingen auf der Schwäbischen Alb, einer vermeintlichen Durchgangsstation auf dem Weg in die Schweiz. Der Zweite Weltkrieg wütet noch, doch die Pfifferlinger gehen fernab von den Gefechten an der Front und den Bombardierungen der Metropolen ungerührt ihren Alltagsgeschäften nach. In dieser hinterwäldlerischen Provinz eckt der Rigaer Pēteris Drusts mit seinen großstädtischen Manieren an: Einerseits ist er auf die Güte der einheimischen Bevölkerung angewiesen, etwa für ein Dach über dem Kopf und ein warmes Essen – andererseits sind ihm die Pfifferlinger intellektuell und kulturell meilenweit unterlegen. Doch er darf ihre Bauernschläue nicht unterschätzen.

Die Episoden sind wie an einer Perlenschnur aufgereiht. Einige berichten von Drusts kuriosen Begegnungen und Verwicklungen mit den alt eingesessenen kauzigen Kleinstädtern, andere erzählen schildbürgerartige Begebenheiten der Stadtgeschichte. Berthold Forssman trifft in seiner scharf ausbalancierten Übersetzung genau die zugespitzte Komik von Anšlavs Eglītis, die aus dem Aufeinandertreffen der existenziellen Lebenssituation eines Geflüchteten mit der Behäbigkeit und Begriffsstutzigkeit der Einheimischen entsteht. Der doppelbödige Humor ist von Schmerz gezeichnet – nur mit befreiendem Gelächter ist die grausame Absurdität des Lebens zu ertragen.


Samstag, 31. August 2024

Antanas Gailius: Hier

Gedichte und Essays. Thelem Universitätsverlag, Dresden / München 2024. ISBN: 978–3–95908–586–1, 
29,80 €

Verlagsinfo: 
Antanas Gailius zählt zu den bedeutenden Schriftstellern und Intellektuellen in Litauen – vor und nach 1990. In seinen Gedichten werden eine Landschaft und eine Tradition zur Sprache gebracht, die allzu lange in Deutschland nur verfälscht unter einer kolonialen Perspektive wahrgenommen wurden. Gailius Essays knüpfen hier an – als Ortsbestimmungen eines eigenständigen Litauen in der Geschichte unseres Kontinents und als Fragen, die über die Sprach- und Landesgrenzen Litauen und Deutschland in ein neues Verhältnis in einem demokratischen Europa setzen.
Antanas Gailius (geb. 1951 in Švendriškiai, Litauen) schreibt Gedichte und Essays und er ist als Übersetzer aus dem Deutschen sowie dem Niederländischen tätig. Zu seinen wichtigsten Übersetzungen gehören Werke von Franz Kafka, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke und Johan Huizinga.
Antanas Gailius lebt und arbeitet in Vilnius.

Donnerstag, 22. August 2024

Manfred Stahnke: Aliutė Mečys

Eine Malerin im Deutungsnetz mit Lyotard und Maturana - Ligeti war auch dabei. 174 Seiten, ISBN-13: 9783759722942, Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt 2024. 35.00 Euro

Verlagsinfo:
Aliute Mecys ist eine große, bisher ziemlich unbekannte Hamburger Malerin, die nach und nach eine immer tiefere Beziehung zu Litauen gewann. Sie wurde am 4. April 1943 in Koblenz als Kind einer deutschen Mutter und eines litauischen Vaters geboren und starb 2013 in Hamburg.
Sie spielt mit den Möglichkeiten und den "Spielen" des Sehens, und genau das sehe ich bei ihr als primär an, und gar nicht die Komponente einer persönlichen "Schreckensdarstellung". Diese erscheint nur auf einer ersten Oberfläche unseres Sehens. Mecys hat sich immer wieder in diese Richtung geäußert:
"Was ich male, ist für mich nicht makaber. Für mich ist das ganz real. Für mich sind das keine Erfindungen. Ich denke viel in Bildern, und ich sehe bildhaft vor mir, was ich höre oder lese."
Ich nehme Mecys gewissermaßen als sehr menschliches, sehr schmerzliches Beispiel für den heutigen Zusammenbruch aller liebgewordenen Klarheiten über unser Weltverständnis, und gleichzeitig auch für die Notwendigkeit, uns neu zu positionieren. Das betrifft unsere Sinne (Maturana) und das betrifft unser Weltkonzept (Lyotard). Beide haben für mich auch miteinander zu tun, und sie erklären den Freiheitsdrang von Mecys: Jean-François Lyotard sieht - und fordert letztlich - die Befreiung von alten ideologischen Denkmustern Europas. Humberto Maturana sieht ganz ähnlich das Zusammenbrechen einer alten Vorstellung, nämlich dass die Welt draußen kalt vor uns steht und wir deren Idee nur entblättern müssten. Im Gegenteil sind wir für ihn als Beobachter selbst die Erbauer der Welt. Durch Lyotard und Maturana können wir einen philosophisch-gesellschaftlichen und einen wissenschaftlich-psychologischen Zugang zu Aliute Mecys finden.

Samstag, 17. August 2024

Marina Jarre: Weit entfernte Väter

Roman, aus dem Übersetzt aus dem Italienischen von Verena von Koskull. Hanser Verlag, Berlin 2024. 224 Seiten, ISBN 978-3-446-28140-0, 24,00 €.

Verlagsinfo: Das kleine Mädchen Marina lügt gern und mit poetischer Hingabe. Ein Akt rebellischer Selbstbehauptung gegenüber einer Welt, in der es die strengen Regeln der Mutter gibt, um deren Liebe sie ringt, aber auch den glutäugigen Vater, der erst mittags aufsteht und sich an keinerlei Regeln zu halten scheint. Einer Welt, in der sie getauft und trotzdem jüdisch sein soll – wie ihr russischer Großvater, den die Mutter verachtet.
Marina Jarre erzählt von der Kindheit im multikulturellen Riga der 1930er Jahre. Vom jähen Bruch, als sie nach der Trennung der Eltern zu ihren Großeltern ins faschistische Italien kommt. Von der Aneignung einer neuen Sprache, in der sie zu ihrer Stimme und ihrer Wut findet, in der sie mit ihren Kindern spricht und sich von der Tochterrolle befreit, von der Wandlung der kleinen Lügnerin zur großen, wahrhaftigen Schriftstellerin. 

Marina Jarre (1925-2016) wurde in Riga als Tochter eines lettisch-russisch-jüdischen Vaters und einer waldensisch-italienischen Mutter geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit in Lettland, bis sich ihre Eltern 1935 trennten und sie zu ihren Großeltern mütterlicherseits zog, die in einer französischsprachigen Waldenser-Gemeinde südwestlich von Turin lebten. Jarre gilt als eine der wichtigsten Stimmen der italienischen Literatur der Moderne. Mit Weit entfernte Väter kann diese außergewöhnliche Schriftstellerin endlich auch auf Deutsch entdeckt werden.

Mittwoch, 31. Juli 2024

Abraham Sutzkever: Vierkantige Lettern

Gedichte 1935–1995. Übertragen aus dem Jiddischen von Kurt Kreiler. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg, 318 Seiten, ISBN 978-3-8260-8383-9, 30,00 Euro.

Verlagsinfo: Der jiddische Poet Abraham Sutzkever (1913–2010) gehört zu den bedeutendsten Lyrikern des 20. Jahrhunderts. Nicht sein Schicksal ist einmalig, sondern seine Fähigkeit, den Gang durch die Hölle lyrisch beschreiben zu können.
Sutzkever, in Litauen geboren, verlebte seine Kindheit in Sibirien, zog nach dem Tod des Vaters zurück nach Wilna, galt unter den jiddischen Schriftstellern als Einzelgänger. Er erlebte den mörderischen Überfall der Deutschen, Ghettoisierung und Holocaust. Ihm gelang die Flucht in die Wälder, sagte als jüdischer Zeuge in Nürnberg aus, emigrierte nach Israel, war Herausgeber der bedeutendsten Zeitschrift für jiddische Literatur: Di goldene kejt.
Manches im Jiddischen klingt süß, manches pathetisch. Sutzkevers ernst empfängliche Natur widersteht dem Pathos durch Zartheit und Phantasie. Seine Gedichte, ob sie von Liebe, Tod, Verfolgung oder vom existenziellen Drama handeln, sind geschrieben mit dem »blanken, flehenden Messer«. Der Poet berührt den offenen Nerv der deutschen Geschichte: Verfolgung und Widerstand, Grausamkeit und das Wunder der Rettung. Obwohl ihn die Erfahrung des menschengemachten Grauens für immer prägte, war Sutzkever nie nur der ›Dichter des Holocaust‹, sondern ein Poet der conditio humana, ein schreibender Hiob und Schöpfer einer unverwechselbar eigenen, phantasievollen Bildsprache.

Freitag, 7. Juni 2024

Marius Marcinkevičius: Als die gelben Blätter fielen

Text von Marius Marcinkevičius, illustriert von Inga Dagilė. Übersetzung: Saskia Drude. Dressler Verlag, Hamburg 2024. 56 Seiten, ISBN 978-3-7513-0118-3, 14,00 Euro.

Verlagsinfo: 
Eine feinfühlige Geschichte über Hoffnung und Freundschaft in Zeiten des Nationalsozialismus.
Alon isst gern Bagels, die es aber leider viel zu selten gibt. Er spielt Geige und sitzt mit seiner Freundin Riwka auf dem Dach ihres Hauses, lässt seinen Drachen steigen und schaut über die Stadt. Aber das Leben ist schwierig, denn es ist das Jahr 1943, und Alon und Riwka wohnen im Getto und tragen einen gelben Stern. Niemand darf das Getto verlassen. Und wer doch durch das Tor hinausgeht, kehrt nicht zurück.
Zart und ergreifend erzählt Marius Marcinkeviçius von zwei Kindern, die die Schrecken des Holocausts erleben. Sie werden getrennt, aber finden sich Jahrzehnte später wieder, dank eines Kieselsteins, der zum Symbol für ihre Stärke und das Überleben wird.
„Als die gelben Blätter fielen“ ist in Litauen bereits mehrfach ausgezeichnet. Kein Wunder: Autor Marius Marcinkeviçius und Illustratorin Inga Dagile schaffen es, auf einfühlsame Weise eine tief bewegende Geschichte über Hoffnung und Freundschaft zu Zeiten des Holocausts zu erzählen. Das besondere Bilderbuch ist für Kinder ein guter Einstieg zu dem Thema Nationalsozialismus. Es richtet sich an junge Leser*innen zwischen 8 und 11 Jahren, ist aber eine wichtige Lektüre für alle Menschen – unabhängig vom Alter.

Mittwoch, 5. Juni 2024

Edward Anders: Unter Letten während des Holocaust

Meine Biographie. Herausgegeben von Uwe Neumärker. Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, 2024. ISBN 978-3-942240-42-0. 282 Seiten, 7.00 Euro. 

Verlagsinfo:
Edward Anders (*1926) wird als Eduards Alperovičs in der Hafenstadt Libau (auf Lettisch: Liepāja) geboren. Seine Eltern sind jüdisch und bürgerlich, Anders‘ Muttersprache ist Deutsch. Mit dem Einmarsch der Roten Armee in das unabhängige Lettland im Sommer 1940 beginnt der Terror. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 wird der Vater wie 24 Familienangehörige Opfer des Holocaust. 1944 gelingt Eduards und der Mutter die Flucht in das Deutsche Reich. Nach 1945 studiert er Chemie in München. 1949 wandert er in die USA aus und wird einer der weltweit bedeutendsten Meteoritenexperten. Seit seiner Emeritierung forscht Anders zum Holocaust in Lettland.

Dienstag, 4. Juni 2024

Bianca Schaalburg: Der Duft der Kiefern

Meine Familie und ihre Geheimnisse. Text & Zeichnung: Bianca Schaalburg. Avant Verlag, Berlin. 208 Seiten, ISBN: 978-3-96445-058-6, 26,00 €. 

Verlagsinfo:
In Der Duft der Kiefern taucht die Berliner Autorin in ihre Kindheit ein und stößt dabei auf Verdrängung und Lügen. Was hat ihr Großvater Heinrich, angeblich als Buchhalter bei der Wehrmacht in Riga stationiert, von den Gräueltaten der Nazis gewusst? War er vielleicht selbst beteiligt? Bald stellt sich die Frage nach der Mitschuld ihrer Familie. Sie erfährt, dass diese in einem Haus lebte, das ehemals von jüdischen Mitbürgern bewohnt war. Hat die Familie von der Vertreibung profitiert oder war sie gar dafür verantwortlich? Bianca Schaalburg recherchiert die Ereignisse und stellt die Frage nach Schuld und Verantwortung einer ganz normalen deutschen Familie.
Wir folgen ihrer detektivischen Spurensuche durch die Nazizeit, die Nachkriegsjahre bis zu den Stasi-Akten des Kalten Krieges und ins Jahr 1968, wo sich alles ändern sollte ...

Mittwoch, 29. Mai 2024

Alexander Juraschke: Otto "Schloime" Fischer

Ein jüdischer Fußballstar aus Wien. Verlag Hentrich&Hentrich, Leipzig 2024. 120 Seiten, ISBN 978-3-95565-650-8, 15,00 €. 

Verlagsinfo:
„Der Kuckuck soll dich holen, mit Donner und Pistolen, wenn Du vergißt, wer dein Onkel Otto ist. Zur Erinnerung von deinem Onkel Otto Fischer.“
Diese Zeilen schrieb der berühmte österreichische Fußballstar und Nationalspieler Otto Fischer im Jahr 1932 in das Poesiealbum seiner Nichte Alice Tichy. Vielleicht ahnte er bereits, dass die Erinnerung an ihn verblassen würde. In der Zwischenkriegszeit gehörte Fischer zur ersten Generation Wiener Profifußballer und trug sieben Mal das österreichische Nationaltrikot. Als begnadeter Dribbler wurde er auf den Wiener Fußballplätzen gefeiert, als Jude aber auch Ziel antisemitischer Angriffe. Fischer repräsentierte die Wiener (Fußball-)Schule und arbeitete nach seiner aktiven Karriere als Trainer in Osteuropa. Im lettischen Liepāja fand er sein sportliches und privates Glück, heiratete und führte den dortigen Verein Olimpija Liepāja zu drei Meistertiteln. 1941 wurde der populäre Coach von den Nationalsozialisten ermordet. Nach seinem Tod geriet Otto Fischer völlig in Vergessenheit. Diese Monografie schildert erstmalig sein Leben und Wirken als ein Stück Wiener Kulturgeschichte im Spannungsfeld zwischen jüdischer Partizipation und Antisemitismus am Vorabend des Holocaust.

Sonntag, 26. Mai 2024

Anja Jonuleit: Kaiserwald

Roman. Penguin Verlag, München 204. 400 Seiten, ISBN: 978-3-328-60333-7, 18,00 Euro. 

Verlagsinfo: Eine Suche. Eine Liebe. Ein Verbrechen.
»Deine Mutter ist verschwunden.« Eine Abfolge von Gefühlen zog über sein Gesicht: Ungläubigkeit, Entsetzen und schließlich diese Angst, die nun in der Welt war wie ein Geist, den man aus der Flasche gelassen hat.
Riga, Ostern 1998. Rebecca Maywald verschwindet spurlos. Sie hinterlässt eine achtjährige Tochter. Viele Jahre später setzt ein anonymer Brief Ereignisse in Gang, die das Leben zweier Familien für immer verändern sollen.
Berlin, 2023. Mathilda, Ex-Gebirgsjägerin, provoziert einen Autounfall, um mit Falk von Prokhoff, dem Sohn einer angesehenen Diplomatenfamilie, in Kontakt zu kommen. Der Grund bleibt zunächst unklar. Womit sie nicht gerechnet hat: Dass sie sich in ihn verliebt. Ein gefährliches Spiel um falsche Identitäten, unentdeckte Verbrechen und dubiose Machenschaften der Familienstiftung »Drei Linden« beginnt …

Donnerstag, 23. Mai 2024

David Geringas: Sag das niemandem

Lebenserinnerungen eines Cellisten. Aufgeschrieben von Jan Brachmann. Wolke Verlag, Hofheim 2023. 376 Seiten, ISBN 978-3-95593-257-2, 34.– Euro. 

Verlagsinfo:
David Geringas gehört zu den bedeutendsten Cellisten der Welt. Als Uraufführungsinterpret wichtiger Werke von Sofia Gubaidulina, Ernst Krenek oder Anatolijus Šenderovas hat er Musikgeschichte geschrieben. Als einflussreicher Pädagoge versorgte er fast alle deutschen Spitzenorchester mit Solocellisten. Von sich selbst sagt er, er sei dreimal geboren worden: 1946 durch seine Mutter in Vilnius, 1963 durch den Unterricht beim Jahrhundertcellisten Mstislaw Rostropowitsch in Moskau und 1975 durch die Emigration aus der Sowjetunion in den Westen. Dem Musikpublizisten Jan Brachmann hat Geringas sein Leben erzählt: was seiner jüdischen Familie in Litauen widerfuhr; wie Rostropowitsch unterrichtete und sich für den Dissidenten Alexander Solschenizyn einsetzte; wie er selbst vom Geheimdienst in der Sowjetunion bespitzelt wurde; welche Fragen die Emigration aufwarf; wie Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern arbeitete; aber auch, wie Geringas selbst mit großen Komponisten wie Henri Dutilleux, Krzysztof Penderecki oder György Ligeti deren Werke einstudierte. Entstanden ist dabei ein lebendiges Dokument zur Zeitgeschichte, das zugleich tiefe Einblicke in die Kunst des Cellospiels gewährt.

Dienstag, 21. Mai 2024

Tom Ots: Der Kussbrunnen

 

Kiener Verlag, München 2024. 128 Seiten, ISBN 978-3-948442-55-2, 16,00 Euro.

Verlagsinfo: Darf ein russisches Mädchen einen estnischen Jungen küssen? Dies ist eine wahre Familiengeschichte, so real wie tausend andere Familiendramen der kleinen baltischen Völker. Sie spielt in den 1950er-Jahren, als Estland Teil der UdSSR war. Den äußeren Rahmen bildet der Kuss zwischen einem russischen Mädchen und einem estnischen Jungen. Zur Lösung der Frage, ob ein solcher Kuss denn erlaubt sei, kommen die Verwandten des Jungen zu Wort: Lebende und Tote, die die Mutter des Jungen, eine begnadete Geschichtenerzählerin, in ihren Geschichten auferstehen lässt. Ihre Schicksale, die dadurch geprägt waren, dass das kleine Volk der Esten zwischen den beiden großen Mächten Deutschland und Sowjetunion aufgerieben wurde, werden uns lebendig vor Augen geführt.
Der Held der Geschichte erfährt, dass Völker nur friedlich miteinander leben können, wenn die Menschen aufeinander zugehen, wenn sie zwar niemals vergessen, aber verzeihen können. So geht es in dieser Erzählung um die Vermeidung von Gewalt und Krieg und letztlich um Liebe zwischen den Völkern.

Mittwoch, 1. Mai 2024

Lina Simutytė: Das Stadtfest

Erzählungen. Aus dem Litauischen von Markus Roduner. Klak Verlag, Berlin 2024. 192 Seiten, ISBN 978-3-948156-85-5, 16,90 €.

Verlagsinfo:
Mažeikiai – eine kleine Stadt in Litauen – ist Schauplatz dieser magischen Geschichten über das Aufwachsen und Erwachsenwerden. Ob ein Großbrand, sexuelle Erfahrungen, Suche nach dem Lebenssinn, immer entfaltet die Autorin ein Feuerwerk an Farbe, Atmosphäre, Emotionen, treffen Hollywood, Pop- und Konsumkultur aufeinander. Mit scharfer Feder legt sie die Schichten des Alltags und der menschlichen Psyche frei.
Der Erzählband „Das Stadtfest“ ist voller Fabulierlust und Fantasie und Lina Simutytės literarisches Debüt.

Dienstag, 30. April 2024

Ieva Toleikytė: Roter glatter Raum

Gedichte. Aus dem Litauischen übersetzt von Vytenė Saunoriūtė Muschik, mit Grafiken von Deimante Rybakovienė. Klak Verlag, Berlin 2024. ISBN 978-3-948156-84-8, 15,00 €.

Verlagsinfo: 
Toleikytės Poesie erkundet die Beziehung des Menschen zu anderen Lebewesen und der Natur. Das lyrische Subjekt erkundet die Welt, indem es gierig Metaphern erschafft und das ästhetisiert, was gewöhnlich Ekel herovrruft: Schnecken, Würmer, Müll, faule Gewässer. Dabi verbindet die Autorin auf spannende Weise ihre Weltsicht mit aktuellen Themen wie Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung, Fleischkonsum und ökologischer Verantwortung. Ihr breiter kultureller Horizont erschließt unerwartete Perspektiven und Raum für freie Interpretationen.

Donnerstag, 21. März 2024

Mart Kivastik: Barbarus

Aufstieg und Fall einer Marionette. Roman, aus dem Estnischen von Cornelius Hasselblatt. Rote Katze Verlag, Lübeck 2024. 185 Seiten, 978-3-910563-15-5

Verlagsinfo:
Johannes Vares ist in den 1930er Jahren – der Zeit der ersten estnischen Unabhängigkeit – Arzt und Lokalpolitiker. Unter dem Namen “Barbarus” ist er auch Schriftsteller. Seine Frau nennt ihn “Jungchen”; er heißt sie “Pieps” – Kosenamen aus besseren Zeiten.
Er lernt einen Russen kennen, der ihm bei Übersetzung seiner Gedichtbände riesige Auflagen in Aussicht stellt. Der Gedanke fasziniert Barbarus.
Dann kommt die Sowjetisierung, das Ende der Unabhängigkeit. Bevor sie den Präsidenten Konstantin Päts absetzen und verschleppen können, brauchen die Russen eine Marionette als Ministerpräsidenten: Johannes Vares, Barbarus. Dass er nur Spielfigur ist merkt er, als er für die Befreiung eines inhaftierten Dichterfreundes nichts bewirken kann. Wird die Ehe mit Pieps die Wandlung vom liberal-progressiven Schöngeist zum Erfüllungsgehilfen der Sowjets überstehen? Wird die Marionette überleben?

Dienstag, 19. März 2024

Rūta Eidukevičienė, Hans Thill (Hrsg): Lied vom Spaziergang

Gedichte aus Litauen. Reihe "Poesie der Nachbarn", Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg 2024, 191 Seiten. Gedichte von Simonas Bernotas, Nerijus Cibulskas, Vaiva Grainytė, Birutė Grašytė-Black, Tautvyda Marcinkevičiūtė, Donatas Petrošius.
Übersetzt von Rūta Eidukevičienė, Dalia Lorenz, Sigita Barniškienė. Nachdichtungen von Uwe Kolbe, Dagmara Kraus, Thomas Kunst, Marcus Roloff, Lara Rüter und Sonja vom Brocke. ISBN: 978-3-88423-709-0, 26,00 EUR.

Verlagsinfo: 
Dass Litauisch eine der ältesten Sprachen Europas ist – der zeitgenössischen Lyrik des baltischen Landes ist das nicht anzumerken. Die Sammlung vereint Gedichte, die sich im Gespräch mit der Gegenwart wissen. Aufregend neu – von namhaften Lyrikern ins heutige Deutsch gebracht. Hier versteht sich Nachdichtung als kreative Arbeit am lebenden Gedicht.
Für Birutė Grašytė-Black ist »Kindheit« ein krasser Schreckensort. Vaiva Grainytė weiß, dass »der Tsunami kein Vegetarier« ist und »jedes Tier seinen Strichcode« besitzt. In seinem Gedicht »So weit das Feuer reicht« zeigt sich Donatas Petrošius kühn und angriffslustig. Tautvyda Marcinkevičiūtė schreibt ihren »Brief an Sylvia Plath«, während Nerijus Cibulskas wissen möchte, »wer kämmt (…) die widerspenstigen Haare des Cellos?«, dekretiert Simonas Bernotas: »wenn man Pech im Leben hat, ist man glücklich nach dem Tod«.

Donnerstag, 14. März 2024

Rimantas Kmita: Remyga

oder der Versuch ehrlich zu leben. Roman, aus dem Litauischen übersetzt von Markus Roduner. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2024, 320 Seiten, ISBN: 978-3-96311-785-5, 24 Euro. 

Verlagsinfo:
Litauen Ende der Achtzigerjahre. Nachdem er in der sowjetischen Armee in Afghanistan gedient hat, kehrt Remyga in seine Heimatstadt Šiauliai zurück. Er möchte ein normales Leben führen – ein guter Ehemann und Vater, ein pflichtbewusster Polizist sein. Doch die Schatten der Vergangenheit und das Chaos um ihn herum werden immer dichter und dunkler, und die finsteren Mächte gewinnen immer mehr an Einfluss. Er wird von seinen Albträumen heimgesucht und trifft in seiner Heimatstadt auf die Liebe, die sein Leben jedoch nur noch mehr durcheinanderbringt. Wie kann man in einer solch chaotischen Gesellschaft die Grenze zwischen Gut und Böse ziehen? Wie kann man sich selbst und anderen gegenüber ehrlich bleiben? Wie kann man seine inneren Dämonen kontrollieren? Was ist der Preis der Unabhängigkeit – politisch und persönlich?
Litauen erlangt seine Unabhängigkeit zurück, doch das Böse ist noch immer in den Menschen verankert. Remyga riskiert seine Liebe, seinen Sohn und sein Leben, um dieses zu vertreiben.

Freitag, 8. März 2024

Tauno Vahter: Die 11 Fluchten des Madis Jefferson

Aus dem Estnischen übersetzt von Maximilian Murmann. Roman, Residenz Verlag Salzburg / Wien 2024. 256 Seiten, ISBN 9783701717811, 25 Euro.

Verlagsinfo:
Madis Jefferson hält es an keinem Ort, schon gar nicht unter Zwang: Mit Witz und Tempo berichtet Tauno Vahter von einem, der nur auf der Flucht zu Hause ist.
Vahters packendem Schelmenroman liegt die unglaubliche Lebensgeschichte von Johannes Lapmann alias Madis Jefferson zugrunde, der Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Dorf an der Küste Estlands geboren wird. Bereits mit acht Jahren wird Madis in Stockholm aufgegriffen und zu seiner entsetzten Mutter heimgebracht: Er hatte sich als blinder Passagier auf einem Schiff nach Schweden versteckt, weil er mehr von der Welt sehen wollte. Das bleibt nicht die letzte Eskapade des Vagabunden, weitere spektakuläre Fluchtversuche werden folgen und Madis bis in die USA führen – ihm allerdings auch Gefangenschaft in sowjetischen Lagern einbringen. Dieses Buch ist ein hinreißender und tragikomischer Roman über Freiheit und die Frage, wie weit Gesellschaften gehen, um die Freiheitsliebenden zu unterdrücken.

Tauno Vahter - geboren 1978 in Tallinn, lebt in Estland als Verleger, Lektor, Übersetzer (aus dem Finnischen und Englischen) und Schriftsteller. Für seinen Debütroman „Die 11 Fluchten des Madis Jefferson“ erhielt er den renommierten Eduard-Vilde-Preis. In seiner Freizeit ist er aktiv im Quiz-Sport und belegte 2012 mit seinem Team den ersten Platz der European Quizzing Championships.

Donnerstag, 29. Februar 2024

Christofer Hermann (Hg.): Burgen in Livland

Mittelalterliche Wehrbauten in Estland und Lettland. Michael Imhoff Verlag, Petersberg 2023. Mit Beiträgen von Alexander Baranov, Christofer Herrmann, Villu Kadakas, Juhan Kreem und Ieva Ose. 288 Seiten, ISBN 978-3-7319-1405-1, € 24,95

Verlagsinfo:
Das Handbuch „Burgen in Livland“ ist eine aktuelle Synthese zur historischen Wehrarchitektur im heutigen Estland und Lettland. Darin wird eine Übersicht zu den mittelalterlichen Wehrbauten dieser Region an der nordöstlichen Grenze des westeuropäischen Kulturbereichs gegeben. Die Autoren gehen den Fragen nach der Genese, Entwicklung und Einbindung der dortigen Baukunst in den europäischen Kontext nach. Der zeitliche Schwerpunkt der Darstellung liegt zwischen dem späten 12. und der Mitte des 16. Jahrhunderts. Das Handbuch gliedert sich in drei Hauptabschnitte: Historische Einführung, Entwicklung und Merkmale der Burgenarchitektur, Katalogteil mit der Beschreibung von 110 Burgen. Der Band ist mit aktuellen Fotos, historischen Ansichten und Plänen reich illustriert.

Mittwoch, 24. Januar 2024

Rita König: Greta

Roman. Lauinger Verlag, Karlsruhe 2024. ISBN 978-3-7650-9174-2. 406 Seiten, 18,00 €.

Verlagsinfo:
Was passiert, wenn man einen Lebensabschnitt auslöscht?
Nach achtzig Jahren beschließt Greta, noch einmal ihr Kindheitshaus zu sehen. Die Reise über Polen nach Lettland wird für sie nicht nur körperlich anstrengend – vor allem kämpft sie mit den Erinnerungen, die sie verdrängte, verdrängen musste.
Zur gleichen Zeit fliegt Marita nach Lettland, um ihren Geliebten zu suchen. Sie findet Greta und begleitet sie. Greta könnte ihre Großmutter sein – aber ist sie deshalb klüger? Zu Hause in Lettland, wie sie behauptet, mit einer Kindheitsliebe und den Dainas als Trost?
Zwischen traumatischen Erinnerungen und dem Johannisfest breitet sich ein Leben aus, das neun Jahrzehnte umfasst und Greta die Entscheidung abverlangt, wohin sie gehört.

Rita König (*1962) ist diplomierte Betriebswirtin und lebt in Potsdam. Für ihre literarische Arbeit erhielt sie zahlreiche Aufenthaltsstipendien, wie zum Beispiel im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf. Bisher veröffentlichte sie ihre Erzählungen in Literaturzeitschriften und Anthologien.

Samstag, 20. Januar 2024

Lote Vilma Vītiņa: Der kleine Dichter und der Duft

Mirabilis Verlag, Klipphausen/Miltitz, Oktober 2023. 40 Seiten, durchgängig farbig illustriert von Lote Vilma Vītiņa. Übersetzung aus dem Lettischen: Lil Reif. ISBN 978-3-947857-23-4. Originalausgabe: „Dzejnieks un smarža“, Aminori, Riga 2019

Verlagsinfo:
Es war einmal ein kleiner Dichter, der vor einem großen, leeren Blatt Papier saß und dem so gar nichts einfiel, worüber er schreiben könnte. Doch auf einmal kam durch das offene Fenster eine Wolke herein und sie brachte einen Duft mit, der ihm direkt in die Nase flog! Den Duft von Sommerregen. Der Dichter folgte dem Duft und er kam in die Stadt und den Park – und überall duftete es nach anderen schönen und nicht so schönen Dingen. Und plötzlich wusste er auch wieder, worüber er schreiben konnte …
Ein bezauberndes Kinderbuch über die Düfte in der Natur und der Stadt mit kleinen Gedichten und fantasievollen Bildern, die dazu anregen, die Umgebung bewusst und mit allen Sinnen wahrzunehmen. Und im kunterbunten Vorsatzpapier ist sogar eine duftende Erdbeere versteckt!

LOTE VILMA VĪTIŅA (geb. 1993) lebt in Riga und ist eine lettische Illustratorin, Comiczeichnerin und Lyrikerin. Sie hat an der Lettischen Kunstakademie Malerei studiert und an verschiedenen Ausstellungen und Residenzen in Lettland und im Ausland teilgenommen. Ihre Zeichnungen sind lebendig und gefühlvoll, leicht und spontan. Lote Vilma Vītiņa zeichnet mit der Hand und mit Tusche, oft mit Aquarellfarben. Ihre Illustrationen und Comics wurden von „Liels un mazs“, „kuš!“, „KUTIKUTI“, „Popper“ und anderen veröffentlicht. Ihr Lyrikdebüt meitene (dt. Das Mädchen) wurde 2020 mit dem Goldenen Apfel ausgezeichnet, dem wichtigsten Buchpreis für Buchkunst in Lettland. Für ihr 2021 erschienes Buch Ūdenstornis(dt. Der Wasserturm) erhielt sie den Lettischen Literaturpreis 2022. Die Originalausgabe des Kinderbuches „Der kleine Dichter und der Duft“ erschien im Verlag Aminori in Riga und wurde 2019 mit dem Goldenen Apfel sowie für seine Illustrationen 2020 mit dem Kinder- und Jugendbuchpreis Jānis Baltvilks ausgezeichnet.
https://lotevilma.com/

LIL REIF (geb. 1975 in Dresden) studierte Russisch, Portugiesisch und Jura in Berlin, Moskau und Évora und wurde mit einer Arbeit im Bereich Soziolinguistik promoviert. Während eines dreijährigen Aufenthalts an der Fakultät für Translationswissenschaften der Hochschule Ventspils lernte sie Lettisch und organisierte mit dem Internationalen Schriftsteller- und Übersetzerhaus und der Stadtbibliothek Werkstätten zum Literaturübersetzen. Sie lebt in Wien, wo sie neben ihrer Arbeit als Expertin für Europäische Forschungsförderung Literatur aus dem Lettischen übersetzt. 2018 erhielt sie für die Übersetzung eines Auszugs aus dem Roman „Der Geschmack von Blei“ von Maris Berzinš den Übersetzerpreis der Stadt Wien.