Freitag, 2. Oktober 2020

Katrin Reichelt: Von der Unmöglichkeit, die richtige Entscheidung zu treffen

Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzen Litauen 1941–1944. Lucas-Verlag, Berlin 2020, 476 Seiten, ISBN 978-3-86732-343-7, 25,– €.

Verlagsinfo:
Als die deutsche Wehrmacht Vilnius erreichte, lebte der vierzigjährige Juozas Rutkauskas allein und unauffällig in der Stadt. Sein Ruf war tadellos, die deutschen Besatzer vertrauten ihm und übertrugen ihm die Leitung eines Büros für Melde- und Passangelegenheiten. Viele hielten ihn für einen Gewinner der neuen politischen Zustände. Er tat nichts, um diesen Eindruck zu zerstreuen. Die Massaker an den Juden wurden in aller Offenheit vor den Augen der Stadtbewohner durchgeführt. Juozas Rutkauskas besaß Zugang zu wichtigen Unterlagen, mit denen er neue Identitäten erschaffen konnte. Bis zu seiner Enttarnung 1944 verhalf er schätzungsweise 150 Menschen zu neuen Identitäten, womit sie eine Chance erhielten, der Vernichtung zu entkommen.
Während ein Teil der Landesbevölkerung mit den deutschen Besatzern kollaborierte und ein anderer Teil unbeteiligt blieb, gab es eine Reihe nichtjüdischer Einwohner Litauens, die sich den Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung entgegenstellten und Leben retteten. In diesem Band der Gedenkstätte Stille Helden wird in zwölf Geschichten von Hilfsbereitschaft, Kompromissen und Opferbereitschaft bis zur Selbstaufgabe berichtet. Dazu gehören die des japanischen Konsuls Chiune Sugihara, der ohne Zustimmung seiner Regierung Visa für Verfolgte ausstellte, und auch die des deutschen Majors Karl Plagge und des österreichischen Feldwebels Anton Schmid, die jeweils in ihrem eigenen Rahmen agierten. Doch in den meisten Fällen waren es litauische Frauen und Männer, die Wege, Orte, Kanäle und Informationsmöglichkeiten schufen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war allgegenwärtig und bedeutete den Tod für alle Beteiligten.

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Katrin Reichelt: Rettung kennt keine Konventionen

Hilfe für verfolgte Juden im deutsch besetzten Lettland 1941–1945. Lucas Verlag, Berlin. 264 Seiten, ISBN 978-3-86732-255-3, 25,– €

Verlagsinfo:
Am Morgen des 30. November 1941 sah der lettische Hafenarbeiter Jānis Lipke, wie tausende Rigaer Juden in langen Kolonnen zu ihrer Ermordung getrieben wurden. In Jānis’ Entsetzen mischte sich Wut über die rohe und willkürliche Gewalt. Sie mündete in dem Entschluss, etwas gegen diese Grausamkeiten zu tun, und er beschloss zu handeln. Bis zum Ende der deutschen Besatzung in Lettland 1945 rettete er insgesamt 54 Menschen vor der Erschießung.
Er war nicht der Einzige, der sich und seine Familie der drohenden Todesstrafe für die Hilfeleistung gegenüber Verfolgten aussetzte. Häufig aus spontanem Mitgefühl halfen Letten und Russen nicht nur jüdischen Bekannten und Freunden, sondern in vielen Fällen auch Fremden, sich der Ermordung zu entziehen.
Der Band thematisiert eindringlich die Bedingungen und Dimensionen der Rettung von Juden durch die einheimische Bevölkerung und stellt mehrere Fälle vor, die die besonderen Schwierigkeiten und Gefahren dieser Hilfeleistungen vergegenwärtigen. Beide Seiten, die Retter und die Geretteten, trugen in jeder Hinsicht das tödliche Risiko gemeinsam.